: Johannas letzter Gang
Nicht ganz so stilisiert wie sein „Parzifal“: Andreas Bode inszeniert Schillers „Die Jungfrau von Orleans“
Der Krieg strömt täglich in tausenden von Bildern auf uns ein. Seine Mechanismen bleiben die gleichen, bei Schiller, wie bei seinem Adepten, dem Hamburger Regisseur Andreas Bode, der nach seiner gelungenen Diplominszenierung des Parzifal im vergangenen Jahr jetzt Schillers Die Jungfrau von Orleans auf Kampnagels Bühne brachte.
Bode sind Idee, Struktur und Form stets wichtiger als das eigentlich zu Erzählende. Mit Stilisierungen wie beim Parzifal hat er sich diesmal merklich zurückgehalten, stattdessen einen eindeutigen Rahmen gesucht und dafür einen Formgeber gefunden, der sich am Ende eindrucksvoll enthüllt.
Der Text ist vorsichtig eingedampft, das Pathos zumindest in der Sprache geblieben. Patricia Nocon gibt eine modern burschikose Johanna in rotem Minikleid und Stiefeln, die sich aus innerem Antrieb, nicht aus göttlicher Anrufung, dem väterlichen Willen einer bäuerlichen Existenz verweigert. Sie ist zu Höherem berufen. Und so landet sie beim Diner, beim großen Fressen der Franzosen, für das Michel Schaltenbrand ein lang gestrecktes Buffet und einen großen runden Tisch vor der Kulisse einer riesigen, sich wandelnden Leuchtschrift errichtet hat. Dort speisen die durch den verzweifelten Verteidigungskampf gegen die Engländer angeschlagenen Franzosen. König Karl VII., Felix Lampe, seine Gattin Isabeau und seine Geliebte Agnes Sorel, die Charlotte Pfeifer mit viel Selbstironie in Personalunion gibt, wehren sich mit allem Mut der Verzweiflung und landen doch bei denselben Mustern wie ihre Feinde.
Zunächst bringt Johanna die Wende in der 100-jährigen Schlacht. Doch bald schon ringt sie mit Jungfräulichkeit und Herzenssehnsucht. Die Vertreter des anderen Geschlechtes tragen martialische Wüstenuniformen und stimmen „Amazing Grace“ an. Von Johanna sind sie gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen. Und so wird sie erst umworben, dann mit Misstrauen beäugt und verbannt.
Am Schluss sitzt die Adelsclique wieder beim Essen. Johanna ist verschwunden, der Kriegsausgang ungewiss. Da rollt als nächster Gang der bloße Körper der nun Heiligen heran. Peter Greenaways Film Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber stand hier Pate. War es dort der Geschlechterkampf, der zwischen Menügängen ausgefochten wurde, erhalten bei Bode derart der Schrecken des Krieges und eine medial abgestumpfte Menschheit ein neues, hässliches Gesicht. Caroline Mansfeld
weitere Vorstellungen: Sonnabend und Sonntag, 21 Uhr, Kampnagel (k1)