Johanna Braun war auf einem „Demokonzert“ gegen Körperhass und Sexismus: Kein Platz für Heidi im SO36
Im SO36 stapeln sich die Leute. Kein Wunder – ist ja freier Eintritt. Aber die Menschen, die hier enthusiastisch klatschen, hätten sicher auch bezahlt. Denn sie sind gekommen, um auf etwas Wichtiges aufmerksam zu machen und sich dem entgegenzusetzen: Sexismus und Körperhass. Vielleicht sitzen einige ihrer Freunde gerade vor dem Fernseher und schauen die zweite Folge der elften Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ (GNTM). Sie dagegen sind vom Sofa aufgestanden, denn die Abendveranstaltung ist eine Protestaktion von „Pinkstinks“. Die Organisation hat es auf ihre Fahne geschrieben, GNTM als das darzustellen, was es ist: eine Show, die ein limitiertes Mädchenbild entwirft und Sexismus fördert.
Die Leute von Pinkstinks wollen dem Trend der „Pinkifizierung“ entgegenwirken. Und die betreffe Jungen und Mädchen gleichermaßen. Ihr Schlachtruf: Es gibt nicht nur zarte Prinzessinnen und starke Ritter! Sei, wer du willst und wie du es willst! Das machen sie diesmal nicht mit einer Negativ-Protestaktion: Im SO36 haben sich keine kurzhaarigen Frauen versammelt, die (Achtung, Klischee!) ihre behaarten Achselhöhlen zeigen, indem sie ihre Arme in die Luft strecken und Parolen grölen. Die Aktion ist eine Party. Eine Feier gegen den Körperhass, den junge Mädchen beim GNTM-Schauen entwickeln.
Übergrößen auf dem Laufsteg
Die Rapperinnen Sookee und Finna sprechsingen über Schönheit und Selbstzweifel, Bernadette La Hengst und Soulsängerin Tamika geben sich im Anschluss das Mikrofon in die Hand. Aber es gibt nicht nur Musik: Die Journalistinnen Silke Burmester und Margarete Stokowski interviewen die Österreicherin Ina Holub, die zuvor mit anderen Übergröße-Models in Unterwäsche über den Laufsteg geschritten ist.
Timo Lange von LobbyControl, das Peng!-Collective, Medienwissenschaftlerin Dr. Maya Götz und SPD-Politikerin Elke Ferner sprechen schließlich mit Pinkstinks-Geschäftsführerin Stevie Schmiedel über die Gefährdung junger Mädchen durch Formate wie GNTM. Die ist sogar wissenschaftlich belegt: Eine Studie von Maya Götz kommt zu dem Ergebnis, dass die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper bei jungen Mädchen zugenommen hat, seit GNTM im Fernsehen läuft. Kein Wunder, dort werden ja nur Mädchen mit Kleidergröße 36 genommen. Wenn die wüssten, wie viel Applaus und Geschrei die Plus-Size-Models an diesem Abend bekommen. Ohrenbetäubend!
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen