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Jörn Kabisch Der WirtHotelgäste mit Anhang

Foto: privat

Haben Menschen einen Anhang mit dabei, bekommt man regelmäßig einen Einblick in eine sehr besondere Beziehungskiste. Ich benutze den Begriff Anhang absichtlich despektierlich, habe es dabei aber nicht auf Kinder, Le­bens­ge­fähr­t:in­nen oder Haustiere abgesehen. Nein, es geht um so dingliche Begleiter wie elektrische Kühlboxen, Massagetrommeln oder heute: E-Bikes.

Wenn man als Städter das Rad jahrzehntelang als banales Alltagsfortbewegungsmittel genutzt hat, muss man auf dem Land komplett neu denken. Sich auf ein Zweirad zu setzen, mit oder ohne Elektromotor, ist hier etwas Außergewöhnliches, und eine gefahrengeneigte Tätigkeit. Das macht man nur mit Funktions- oder Sicherheitskleidung. Wer glaubte, er habe im urbanen Milieu von der Fußspitze bis zum Scheitel sämtliche Möglichkeiten gesehen, den Körper mit Neonfarben zu bedecken, sollte einen Abstecher nach Unterfranken machen. Ist man hier auf der Landstraße unterwegs, muss man nicht nur vor querendem Wild auf der Hut sein. Es können auch breit reflektierende giftgelbe Männchen auftauchen.

Sind die E-Bike-Reisenden dann sicher bei uns angekommen, nimmt ihr Gefahrenbewusstsein aber nicht etwa ab. Es verlagert sich, nämlich auf das Gefährt selbst. Das braucht einen trockenen und geschützten Platz. Zwar leben wir auf dem Land, wo die Menschen selten die Haustür absperren, doch als Wirt habe ich gelernt: Für den E-Bike-Reisenden hält man dennoch lieber eine abschließbare Garage vor. Und darin Vorrichtungen, um das Gefährt anzuschließen und bequem aufzuladen.

Wir haben eine weiträumige alte Scheune, vielleicht nicht ganz staubfrei, aber trocken. Da habe ich an einem Dachpfosten eine Kabelrolle hingestellt. Nach den bisherigen Erfahrungen würde ich sagen: Es ist das Minimum, das – noch – akzeptiert wird. Vorigen Sommer bat ein Gast nach Besichtigung der Scheune, das E-Bike aufs Zimmer mitnehmen zu dürfen. „Es ist wegen meinem Ladegerät“, erklärte er. „Ich hab den Akku nachts lieber im Blick.“

Jörn Kabisch hat einen Gasthof in Franken gepachtet. Über seine Erfahrungen schreibt er alle vier Wochen an dieser Stelle.

Auch wenn ich Kol­le­g:in­nen treffe, kommt das Thema regelmäßig auf Zweiräder; gerade jetzt, da die Freiluftsaison beginnt. Tenor: Man kann vor dem Biergarten noch so schöne, große und freie Radparkplätze haben, die Gäste werden dennoch versuchen, ihr Gefährt in sicherer Reichweite zu behalten. Die Standardbegründung: „Das stört doch niemand“ (obwohl der Gang am Tisch verstopft ist), die E-Biker-Ausrede: „Draußen sollen doch nur echte Räder parken“ und die bisher armseligste Rechtfertigung: „Mein Fahrradcomputer darf nicht in der Sonne stehen“. Ein Kollege ist so abgenervt, er überlegt inzwischen, vor den Biergarten ein Drehkreuz zu installieren.

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