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Jörn Kabisch AngezapftAbriebgefühle am Gaumen

Foto: Archiv

Aha, Bier kann also auch wie Fanta aussehen! Würde sich im Glas nicht ein kleiner Absatz weißen Schaums darauf bilden, dann könnte man das Cloud Theory tatsächlich mit Orangenlimo verwechseln. Der Name passt, denn so ein trübes Bier habe ich noch nie gesehen. Und man kann es jetzt alles ein bisschen Bluna und langweilig finden, wenn Brauer ihrem Bier so ein unbieriges Aussehen geben, oder aber spannend. Ich finde es spannend, ich bin von Natur aus neugierig.

Es heißt, Lukasz Wiacek und Georg Fürst hätten das NEIPA nach Berlin gebracht. NEIPA? Das ist die Abkürzung für ein New England India Pale Ale, In den USA haben sich regional unterschiedliche Stile des IPA, dieser hopfenbetonten, obergärigen Grand Dame des Craft Beers, herausgebildet. Das NEIPA ist dabei das am wenigsten bittere, ein extremes, trübes und cremiges Bier. Es dominieren fruchtige, meist sogar tropische Aromen. Ihren Anfang genommen hat diese Spielart des IPA in Vermont, nördlich von New York – deshalb New England IPA.

Und soweit man dem NEIPA schon eine Tradition zugestehen will, Fürst und Wiacek folgen ihr treu – vom Gebinde bis zum Label. Die Dose ist in den USA gerade das It-Gefäß. Und die Etiketten im Raum New York sind, wie ich mich vor Kurzem dort selbst überzeugen konnte, so cool designt, als würden sie sich lieber eingerahmt im MOMA finden als auf Blech zu kleben. Die junge Berliner Brauerei Fuerst Wiacek, gegründet 2016, ist da ganz state of the art.

So – jetzt muss die Limo aber auch schmecken. Ich habe hier wieder einmal gemerkt, wie sehr die Augen den Geschmack prägen. Denn auch beim x-ten NEIPA: Setze ich ein so wenig nach Bier aussehendes Bier an die Lippen, kann ich den kleinen Angstschauer nicht vermeiden, dass nun irgendwas Pappsüßes auf meine Zunge kommt. So beginnt der „Cloud Theory“-Genuss wie bei jedem NEIPA mit einer kleinen Erleichterung: Ach, doch, Hopfen und Malz. Trotzdem machen sich dann tropische Aromen im Mund breit. Beim Cloud Theory, das mehr nach Biskuit riecht, sind es Noten von Ananas und Passionsfrucht.

Cloud Theory, Fuerst Wiacek, 6,8 % vol.

Spektakulärer aber ist das Mundgefühl. Dieses Bier hat einen fetten Körper. Das mildert das Bittere und legt sich leicht betäubend in den Mundraum. Auch der Eindruck der Kohlensäure ist sehr gedämpft, was das Cloud Theory ganz süffig macht. Aber nach einer Dose hatte ich dann Abriebgefühle am Gaumen, was für ein recht aggressives Perlen spricht. Und dann ist da noch der extrem lang anhaltende Abgang. Um dieses Erlebnis zu beschreiben, fällt mir nur ein Satz ein: Aha, Bier kann also auch wie Blauschimmelkäse schmecken!

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