Jörn Kabisch Angezapft: Neues Bier aus alten Broten
Brotig ist ein beliebter Begriff in der Biersprache, etwa so wie „mineralisch“ beim Wein. Ich nutze ihn selten, weil er nie in den Sinn kommen mag. Außerdem: Für so richtig wertfrei halte ich die Kategorie auch nicht. An was soll man denken, wenn ein Pils als „brotig“ charakterisiert wird? An schlaffes Toast oder an ein herrliches Sauerteigbaguette?
Brot ist ein viel zu komplexes Lebensmittel, um als Geschmacksmuster dienen zu können. Denn was am Brotlaib soll denn brotig sein? Die röstige Schärfe einer guten Kruste oder die weiche Krume, die noch einen Hauch von Hefe verströmt? Wenn schon, dann scheinen mir Brotsorten die anschaulicheren Bilder. Stout und andere Schwarzbiere erinnern öfters an Pumpernickel, bei manchen französischen Bieren habe ich schon an buttrige Croissants denken müssen. Roggenbiere haben mit ihrer säuerlich-fruchtigen Note eine klare Verwandtschaft mit Brot aus demselben Getreide.
Doch eine Chance soll der Begriff noch bekommen. Ich bin auf ein Bier gestoßen, das einfach „brotig“ sein muss. Es stammt vom Brussels Beer Project, einer vier Jahre alten Brauerei, die alles andere machen will als konventionelles belgisches Bier.
Seit 2015 wird dort das „Babylone“ gebraut, bei dem ein Teil des Malzes durch Brot ersetzt wird. Die Entwicklung des Rezepts dauerte ein Jahr. Beer-Project-Gründer Sebastien Morvan hatte gelesen, dass unverkauftes Brot einen großen Teil der Lebensmittel ausmacht, die in Supermärkten in den Müll wandern. Warum es also nicht verflüssigen und so recyceln?
Im slawischen Raum wird aus fermentiertem Brot Kvass hergestellt, eine Art Malzbier. Schon die Babylonier brauten daraus vor 7.000 Jahren eine Art Vorform von Bier – was auch den Namen des Babylone erklärt.
Das Bier ist leicht trüb und kastanienfarben, der Schaum setzt sich – um im Bild zu bleiben – teigig ab. Das Bukett riecht leicht und nach Kräutern. Im Antrunk grüßt einen gleich eine durchdringende, etwas salzige Bitterkeit, die Kräuternote erinnert an Koriander. Saure und süße Anteile finden sich kaum.
Aber brotig? Das Babylone hat was von Knäckebrot. Es ist ein trockenes Bier, nicht unbedingt süffig, und sicher etwas für Freunde des englischen Bitters.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen