: Jetzt Vernehmung der »Schmücker-Richter«
■ Im Prozeß um den Schmücker-Mord sollen nun Richter vernommen werden, die V-Mann gedeckt haben sollen
Berlin. Im Prozeß um den Schmücker-Mord sollen nun die Richter vernommen werden, die vor 12 Jahren angeblich einen V-Mann des Verfassungsschutzes gedeckt hatten. Die Richter im zweiten Schmücker-Prozeß 1978 sollen nach Angaben der Alternativen Liste (AL) über die Verstrickung des ehemaligen V-Manns des Verfassungsschutzes Volker Weingraber in den Fememord Bescheid gewußt haben, ohne ihn als Zeugen zu laden. Im vierten Durchgang des längsten deutschen Strafprozesses um die Ermordung des Studenten Ulrich Schmücker vor 16 Jahren beantragte die Verteidigung während des gestrigen Sitzungstages, diese Richter als Zeugen vor der 18. Großen Strafkammer zu hören.
Ferner sollten sämtliche namentlich genannten Personen aus einem vorige Woche vom Innensenator freigegebenen geheimen Vermerk des V-Mann-Führers Michael Grünhagen vernommen werden. Dazu zählen neben weiteren Staatsanwälten der damalige Anklagevertreter und spätere Staatssekretär Wolfgang Möllenbrock.
Auch der Leiter der Kommission zur Klärung von Verwicklungen des Verfassungsschutzes in dem Mordfall Schmücker, Hans-Jürgen Fätkinhäuer, solle vorgeladen werden. Er habe die Akten gesehen, jedoch nicht in den Projektbericht eingebracht, vermuten die Verteidiger. Der Grünhagen-Vermerk deutet darauf hin, daß es Absprachen zwischen Richtern und Staatsanwaltschaft zu strengster Verschwiegenheit über die Person Weingraber gegeben habe. Die 18. Kammer stellte eine Entscheidung vorerst zurück. Die Richter im nunmehr vierten Prozeßdurchgang wollen jetzt die gesamten V-Mann-Akten über Weingraber bei Innensenator Paetzold (SPD) anfordern.
Im Hinblick auf die aktuelle justizpolitische Auseinandersetzung mit den ehemaligen DDR-Richtern verwies die Verteidigung außerdem darauf, daß man im hiesigen Fall nicht lockerere Maßstäbe ansetzen dürfe als bei anderen. Die damaligen Schmücker-Richter hätten mit dem Verschweigen ihres Wissens Rechtsbeugung betrieben. Maßgeblich beeinflußt worden sei das Verfahren in den vergangenen Jahren jedoch auch durch die Staatsanwaltschaft. Erstmals nach 16 Jahren sei heute der Beweis gelungen, daß ein Oberstaatsanwalt durch falsche Erklärungen das Verfahren im dritten Durchgang gesteuert habe.
Insgesamt will die Verteidigung eine Einstellung des Verfahrens erreichen, weil ein fairer Prozeß nicht mehr zu führen sei. Am nächsten Verhandlungstag soll Jürgen Bodeux als Zeuge vernommen werden. Als einziger von ursprünglich sechs Angeklagten hatte er sein Urteil über fünf Jahre Haft angenommen. In späteren Verfahren trat er als »Kronzeuge« der Anklage auf. dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen