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Jens Müller Der WochenendkrimiKevin Spacey in „L.A. Confidential“ – kann man den noch angucken?

Da sprach noch niemand von #MeToo: Spacey als geltungssüchtiger Sergeant Jack Vincennes, 1997 Foto: Warner/ Servus TV

Kevin Spacey sorgte in den vergangenen Monaten für Diskussionen – nicht wegen seiner künstlerischen Fähigkeiten, sondern wegen #MeToo. Im Herbst 2017 beschuldigte ein ehemaliger Schauspielerkollege Spacey, ihn vor 30 Jahren auf einer Party bedrängt zu haben. Spacey soll damals 26, der Bedrängte 14 Jahre alt gewesen sein. Spacey antwortete via Twitter – mit einer etwas zweifelhaften Entschuldigung. Daraufhin meldeten sich weitere Schauspieler und berichteten, dass Spacey sie sexuell belästigt habe.

Hollywood reagierte mitleidlos opportunistisch: Der britische Regisseur Ridley Scott ließ umgehend alle Szenen mit Spacey aus seinem neuen Film herausschneiden. Wohlgemerkt: Mit dessen Leistung als Schauspieler hatte das nichts zu tun. Auch der Streamingdienst Netflix, dessen Vorzeigeprodukt Nummer eins die Spacey-Serie „House of Cards“ einst war, feuerte ihn umstandslos. Robin Wright, die fünf Staffeln lang seine Frau gegeben hat, wird dieser Tage mit der Bemerkung zitiert, sie habe Spacey „als Menschen“ gar nicht gekannt.

Nicht für den Sender Servus TV, aber für alle #MeToo-beeindruckten Fernsehsender und -zuschauer stellt sich nun die Frage: Wie umgehen mit dem – an Meisterwerken nicht armen – filmischen Erbe Spaceys? Rausschneiden und Nachdrehen dürfte bei jahrzehntealten Filmen keine Option sein. Gehören die nun für alle Zeiten in den Giftschrank? Nicht mehr zeigen – nicht mehr gucken?

Zum Beispiel „L.A. Confidential“, diese schönste, beste Film-noir-und-L.A.-Hommage seit Roman Polańskis „Chinatown“ (der jüngst von der Oscar Academy ausgeschlossene Polański ist ja auch so ein Problemfall). Zwei Oscars, einer davon für Kim Basinger als die für dieses Genre obligate Femme fatale, der weder Russell Crowe noch Guy Pearce widerstehen kann – wohl aber Kevin Spacey. Heute wissen wir ja, dass er schwul ist. Rückblickend erklärt das seine Hartnäckigkeit im Film: „Die denken, das ist bloß wieder ’n Hollywood-Homo-Mord. Aber ich glaub’s nicht!“ Und welcher damals von Spacey Bedrängte hat dessen Chef wohl diese Sätze ins Drehbuch geschoben: „Versuchen Sie nicht, plötzlich moralisch zu werden! Dazu fehlt ­Ihnen die Übung.“

Heute verstehen wir die Insiderbotschaft. Der Chef sagt dann auch noch: „Wen kümmert der Abgang eines schwulen Schauspielers?! Von denen steigen in L.A. jeden Tag zehn aus dem Bus.“ Aber wem sagt er das: Kevin Spacey hat da schließlich immer gleich hinter der Bushaltestelle gelauert.

„L.A. Confidential“, Sa., 22.45 Uhr, Servus TV

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