piwik no script img

Jenni Zylka Leben retten mit Flirten

An mir ist eine Notärztin verloren gegangen. Das ist mir beim Bingewatchen einer aktuellen Krankenhausserie unlängst klargeworden. Was die attraktiven Me­di­zi­ne­r und Medizinerin­nen da in diesen Fernsehhospitälern so bewerkstelligen, ist genau mein Ding: Den ganzen Tag und die ganze Nacht geht es entweder um Flirten oder um Lebenretten.

Meine wenigen eigenen Erfahrungen als Notfallpatientin hielten bislang zwar weder das eine noch das andere parat, sondern beschränkten sich auf In-Gängen-herumliegen und auf Docs-in-Crocs-warten.

Fernsehärzte tragen übrigens nie Crocs, sie wollen schließlich flirten. Und die echten Ärz­te und Ärztin­nen in meinem Bekanntenkreis berichten auch eher von wachsender Abscheu vor anderen Menschen. Aber ich würde selbstverständlich nicht in einer maroden Kreuzberger Klinik anfangen, die sich nach der Übernahme durch ein privates Gesundheitsnetzwerk nicht mal mehr neue Papierhandtücher leisten kann. Sondern in einem dieser großen Fernsehkrankenhäuser, die zwar auch latent überlaufen sind, aber dennoch vor medizinischem Sachverstand bersten.

Der durch die genannte Situation entstehende Stress ist laut meiner TV-Recherche erträglich: Die Fern­seh­me­di­zi­ne­r sehen trotzdem großartig aus und sind verlässlich erfolgreich, sogar wenn sie nach fünf Nacht- und Tagschichten aus einem Sekundenschlaf auf der schmalen Behandlungsliege gerissen werden und stante pede eine frontale Notfall-Kraniotomie mit einem desinfizierten Korkenzieher durchführen müssen, weil mal wieder der Strom ausgefallen ist. Oder ein Hurrikan das Krankenhaus im Griff hat. Oder sie von einer zweiwöchigen Keta-Sause kommen.

Seit Dr. Ross alias George Clooney in der ersten „Emergency Room“-Folge besoffen auf der Station auftauchte und Dr. Thackery alias Clive Owen in „The Knick“ auf Laudanum besonders gut operierte, behaupten Dreh­buch­au­to­ren gern Wechselwirkungen zwischen Genius und Sucht. Das kommt mir entgegen, ich begrüße Berufe, bei denen kleine Schwächen nicht so sehr ins Gewicht fallen.

Falls meine Bewerbung als Quereinsteigerin der Gehirnchirurgie aus irgendwelchen Gründen nicht angenommen wird, könnte ich zunächst als allseits beliebtes Faktotum an der Notaufnahmenrezeption anfangen. Und wenn ich dann weiß, wie man ein „großes Blutbild“ malt, was „tachykard“ bedeutet – oder war das „reziprok“? –, und Latexhandschuhe in unter drei Sekunden anziehen kann, geht’s bestimmt schon bald in den OP.

Am meisten freue ich mich aber auf die Flirtkanone der Klinik – das ist der fachlich beste, erstaunlicherweise oft auch bestaussehende Arzt des Hauses. Er ist immer hetero, zum Glück meist ungebunden, und man fragt sich ja schon manchmal, woher so ein kundiger Kollege die Zeit für das Fitnessstudio nimmt. Aber mir soll das recht sein. Schließlich geht es um Menschenleben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen