: Jein zur Knastverlegung
■ Justizhaushalt 1996: bald Geld für Umzug der JVA Neuengamme, vielleicht Stellenabbau / Außerdem: Sparen durch Abschiebung Von Silke Mertins
Für die seit Jahren versprochene Verlegung der Justizvollzugsanstalt Vierlande auf dem Gelände des ehemaligen KZ Neuengamme will der Senat jetzt endlich Geld lockermachen. Vielleicht jedenfalls. Justizsenator Klaus Hardraht (parteilos) stellte gestern seinen Haushaltsentwurf für 1996 vor. Darin sind Mittel für einen Knastneubau in Billwerder vorgesehen.
Aber: Das Geld kann erst ab 1998 abgerufen werden. Magere 26 Millionen sind bis zum Jahre 2000 eingeplant. Viel zu wenig für den Neubau, denn im Finanzplan 1993 bis 1997 waren eigentlich einmal 78,5 Millionen vorgesehen. Ob das Gefängnis neben der KZ-Gedenkstätte überhaupt noch in diesem Jahrtausend aufgegeben werden kann, hängt von der Prioritätensetzung der Behörde ab – für alle Zeiten verpflichtend ist das Investitionsvorhaben nicht.
Versprochen hat's jedenfalls Bürgermeister Henning Voscherau anläßlich der 50jährigen Gedenkfeier in Neuengamme. Daß es schon seit Kriegsende auf dem Gelände des KZ ein neues Gefängnis gibt, war immer wieder Anlaß zu Protesten, vor allem von der Organisation der Überlebenden „Amicale Internationale KZ Neuengamme“.
Die geplanten Gelder seien zwar „besser als nichts“, aber trotzdem nicht mehr als ein „Erinnerungskästchen“, findet der GAL-Fraktionsvorsitzende Willfried Maier. Senator Hardraht „schiebt sich das Problem damit vom Hals“, denn 1998 sind längst Wahlen in Hamburg gewesen und der von der Statt Partei berufene Justiz-Chef wahrscheinlich nicht mehr mit von der Senats-Partie.
Die CDU-Opposition ist sowieso gegen eine Verlegung, weil sie den KZ-Standort für eine Strafvollzugsanstalt überhaupt nicht problematisch findet. Statt eines Umzugs sollten Finanzmittel lieber „anderwertig sinnvoll“ verwendet werden.
Widerstand gegen die Knastverlegung gibt's auch seit eineinhalb Jahren im Bezirk Bergedorf, wo die neue JVA gebaut werden soll. Mangels Mehrheit für den Bebauungsplan muß der Senat den Bezirk überstimmen.
Die 601,2 Millionen, von denen Justizsenator Hardraht im nächsten Jahr nichts für den Knast-Umzug ausgibt, sollen in die Modernisierung fließen: EDV überall, Fortbildung für Gefängnisbedienstete, die Hardrahts liberale Knast-Drogenpolitik noch nicht verstanden haben sowie verschiedene Renovierungsvorhaben sollen realisiert werden.
Gespart wird in Hardrahts Haushaltsentwurf – 4,5 Prozent mehr als 1995 – eigentlich nur bei den Abschiebehäftlingen. „Eine gute Leistung“ sei es, freut sich der Senator, daß er mittels beschleunigter Abschiebung die Zahl der Abschiebehäftlinge von 180 im vergangenen, auf 110 in diesem Jahr reduzieren konnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen