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Archiv-Artikel

Jedes zweite Kind hat Förderbedarf

OFFENSIVE BILDUNGSSTANDARDS Bildungssenatorin Jürgens-Pieper rüstet sich für die nächsten Vera- und Pisa-Tests und für den Ansturm der Viertklässler auf die Oberschulen im kommenden Jahr

Von kawe
In Niedersachsen soll die Fusion von Haupt- und Realschulen „Oberschule“ heißen: „Begriffschaos“, sagt Renate Jürgens-Pieper

Dass Kinder in die Schule kommen, die mangels ausreichender Sprachkenntnisse dem Unterricht nicht folgen können, das soll es in Zukunft in Bremen nicht mehr geben. Alle Fünfjährigen müssen sich dem Sprachtest „Cito“ unterziehen, wenn Eltern diesen Test am Computer für ihr Kind ablehnen, können sie auf eigene Kosten eine „Sprachdiagnostik“ von einem Fachmann erstellen lassen. Das erklärte die Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) gestern. In den Kitas gibt es dann für die, die bei Cito aufgefallen sind, Sprachfördermaßnahmen. Nach der Einschulung werden alle förderbedürftigen Kinder erneut getestet. Wer nicht an einem der Tests teilgenommen hat, kommt nicht in die Schule, sondern muss so lange an einem „regionalen Sprachkurs“ teilnehmen, bis gesichert ist, dass er oder sie dem regulären Unterricht folgen kann. Jedes zweite Kind in Bremen, so die Senatorin, bringt zum Schulbeginn nicht die sprachlichen Kompetenzen mit, die erforderlich wären.

Im Rahmen einer „Offensive Bildungsstandards“ sollen auch Defizite am Ende der Grundschulzeit besonders bearbeitet werden. Für die Grundschullehrer gibt es für die Fächer Deutsch und Mathe einen dicken Ordner mit Musteraufgaben, die bundesweit erarbeitet wurden, und wer das darin vorgegebene Niveau nicht erreicht, soll zwei Stunden Mathe und zwei Förderstunden Deutsch zusätzlich bekommen. Dies gilt für Schulen, für die aufgrund der Vera-Vergleichsarbeiten eine „kritische Lage“ erkannt wurde. Die Lehrerstunden, so die Senatorin, stünden aufgrund der sinkenden Schülerzahlen zur Verfügung. Dasselbe Förderverfahren soll es für den Übergang von Klasse acht zu Klasse neun geben. Förderstunden sind da aber fürs erste nicht finanzierbar, „Schritt für Schritt“ sollen die zusätzlichen Förderangebote ausgebaut werden.

Beim Angebot an Oberschulplätzen hat die Senatorin nachgebessert, um beim Übergang zu Oberschulen und Gymnasien im kommenden Jahr nicht wieder Proteste befürchten zu müssen: Sowohl am Barkhof wie am Oslebshauser Park werden neue Oberschulen gegründet. „Nicht glücklich“ ist die Senatorin über die Entwicklung im benachbarten Niedersachsen, wo sie selbst einmal Bildungsministerin war: Dort soll die Verschmelzung von Haupt- und Realschulen unter dem Namen „Oberschule“ stattfinden, nur in einzelnen Fällen werden diese Oberschulen einen gymnasialen Zug haben. „Ich fürchte, dass das zur Verwirrung führt“, sagte Jürgens-Pieper – in Bremen besteht die Attraktivität des Oberschul-Konzeptes darin, dass sie für Kinder, die in der vierten Klasse nicht überdurchschnittlich gute Leistungen zeigen, immer auch den Weg zum Abitur eröffnet oder offen hält. Überhaupt nicht erfreut ist die Senatorin auch über die Nachricht, dass eine weitere private Oberschule gegründet werden soll – die evangelische Kirche plant das. Bisher gibt es neben dem Ökumenischen Gymnasium zwei evangelische Schulen, die aber von der BEK unabhängig sind. Jürgens-Pieper hofft, dass für den Fall, dass es zu dieser Gründung kommt, ein Standort gefunden wird, der nicht nur Konkurrenz zu dem staatlichen Angebot bedeutet.

Für die Gründung einer religiös gebundenen Schule gibt es kaum gesetzliche Hürden, im Falle von Grundschulen wird ein besonderes pädagogisches Konzept zur Voraussetzung gemacht. Zufrieden teilte die Senatorin mit, dass auf ihren Antrag das Oberverwaltungsgericht sich erneut mit der Gründung zweier Grundschulen befassen wird: Sowohl die Initiative „Freie Schule“ wie die Humanistische Schule hatten in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht das Verfahren gegen die ablehnende Haltung der Schulverwaltung gewonnen. kawe