piwik no script img

■ Jedes Jahr werden weitere zwei Millionen Minen gelegtBeharrliches Schweigen

100 Millionen Landminen sind weltweit deponiert. Zumeist Antipersonenminen, mit denen ganze Regionen willkürlich verseucht wurden. Mindestens 15.000 Menschen werden pro Jahr von explodierenden Minen getötet oder für den Rest ihres Lebens schwer verstümmelt. Kaum Soldaten während einer bewaffneten Auseinandersetzung (was schlimm genug wäre), sondern fast ausschließlich Zivilisten, vor allem spielende Kinder und Jugendliche.

Diese Fakten sind seit Jahren bekannt. Dank beharrlicher Aufklärungsarbeit von Organisationen wie „Medico International“ und seit einiger Zeit auch dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Doch nichts passiert, um den Wahnsinn zu beenden. Im Gegenteil. Jährlich werden weitere zwei Millionen Minen in der Erde versteckt, während nur knapp 100.000 geräumt werden. Und zahlreiche Firmen aus der Bundesrepublik sowie den anderen 34 Minen exportierenden Ländern dieser Erde verdienen sich weiterhin ungehindert eine goldene Nase am Geschäft mit den heimtückischen Mordinstrumenten.

Die UNO-Konvention von 1980, mit der zumindest die Anwendung dieser Minen sowie anderer besonders verheerender konventioneller Waffen eingeschränkt werden sollte, hat diese blühenden Geschäfte nicht getrübt. Seit Verabschiedung der UNO- Konvention sind weltweit knapp 200.000 Minenopfer zu beklagen. Doch die Regierungen der meisten der 35 Staaten, die Minen herstellen und für diesen Massenmord die politische Verantwortung tragen, tun derzeit alles dafür, daß auch nach der Konferenz zur Revison der Konvention im September 1995 alles beim alten bleibt. Der Vorschlag fast aller westlichen Staaten (zugleich die wichtigsten Hersteller und -exporteure von Minen, insbesondere neuerer Technologien), wenigstens die Anwendung althergebrachter Antipersonenminen ohne Selbstzerstörungsmechanismus außerhalb markierter und bewachter Gebiete zu verbieten, ist das Mimimum vom Minimum. Dieser Vorschlag soll diesen Staaten vor allem die künftigen Märkte für moderne Antipersonenminen sichern.

Daß Deutschland und in seinem Gefolge inzwischen auch Frankreich selbst diesen Minimalvorschlag ablehnen und herkömmliche Minen weiterhin zumindest „in Kriegszeiten oder wenn Krieg droht“ einsetzen möchten, ist die Spitze der Heuchelei. Diese skandalöse, selbst von zahlreichen Nato-Partnern kritisierte Bonner Haltung, die die Hardthöhe gegen das Außenministerium durchgesetzt hat, wirft die Frage auf, welchen Einfluß Minister Kinkel auf Deutschlands Politik in der UNO und anderen internationalen Zusammenhängen wirklich hat.

Der Öffentlichkeit könnte der krasse Widerspruch der Haltung der meisten Unterzeichnerstaaten der Konvention zu all den schönen Reden und Beschlüssen ihrer Regierungen über internationale Verantwortung oder humanitäre Verpflichtungen auffallen. Deshalb finden die Vorverhandlungen zu der Revisionskonferenz hinter verschlossenen Türen statt. Wobei man in Bonn, Washington, Paris oder Moskau insgeheim dankbar ist, daß China mit seinem formalen Veto gegen die Verhandlungsbeobachtung durch Journalisten und Nichtregierungsorganisationen (mit Ausnahme von IKRK, UNHCR und Unicef) für den Ausschluß der Öffentlichkeit gesorgt hat. Und alle können der UNO dankbar sein, die für diese Verhandlungsfarce zwar den Rahmen, ihren Namen und die Infrastruktur bereitgestellt hat, über Verlauf und Ergebnisse der nun schon vor über einer Woche beendeten Verhandlungen aber beharrlich schweigt.

Ohne die gestrige Pressekonfernez des IKRK wären überhaupt keine Informationen an die breite Öffentlichkeit gedrungen. Die nächste Verhandlungsrunde im Januar wird genauso ablaufen. Es sei denn, den in der internationalen Landminenkampagne zusammengeschlossenen über 200 Initiativen und Organisationen gelingt bis dahin über ihre Aufklärungsarbeit über das von Minen verursachte Leiden hinaus eine Öffentlichkeitskampagne, die wirklich Druck macht auf die Regierungen und Parlamente. Andreas Zumach

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen