: Jeans und Smoking
Das Oldenburger Filmfestival ist im elften Jahr erwachsen geworden. Beispiele unabhängigen Filmschaffens
Höchstens 3.000 Zuschauer haben „Raiders of the Lost Ark: The Adaption“ bisher gesehen. Jetzt lief der Film in Oldenburg als heftig vom Zahn der Zeit angenagtes Video aus den 80er Jahren. Ein paar zwölfjährige Indiana-Jones-Fans begannen damals vor ihrer Homevideo-Kamera den „Jäger des verlorenen Schatzes“ nachzuspielen. Sieben Jahre haben die Dreharbeiten gedauert. So ist dieses Videoband ganz unbeabsichtigt auch zu einer Langzeitstudie amerikanischer Jugend geworden.
Die Kulturetage in Oldenburg war für die Deutschlandpremiere kurzfristig in ein Hochsicherheitskino verwandelt worden. Jeder Zuschauer wurde abgetastet. Offiziell wurde auch keine Eintrittskarte verkauft, sondern Sekt in Piccolo-Flaschen. All dies, weil die Filmemacher natürlich nicht die Rechte für ihre Vorlage haben. Das hätte wirklich teuer werden können. Aber es hat sich gelohnt, denn hier gab es eine wundersame Hommage an Hollywood zu bestaunen.
Einen radikaleren Schnitt als den von dieser Filmvorführung zu jener im Oldenburger Staatstheater kann es kaum geben: dort die Fans des Hollywoodkinos in Jeans und T-Shirt, hier das Kulturbürgertum der Stadt in Smoking und Abendkleid, das durch „The Grey Zone“ einen unbequemen Kinoabend verpasst bekam. US-Regisseur Tim Blake Nelson erzählt in seinem Film von den jüdischen Sonderkommandos, die 1944 in Auschwitz ihre Leidensgenossen in die Gaskammern führten. Ein komplexer und verstörender Film, der die Frage stellt, wozu der Mensch fähig ist, wenn es wirklich ums Überleben geht. Und eine mutige Entscheidung, ihn in diesem festlichen Rahmen zu zeigen, die beweist, wie erwachsen dieses Festival nun in seinem elften Jahr geworden ist.
Auch die Bandbreite der gezeigten Filme hat sich sehr erweitert. Am wichtigsten ist dem Festivalleiter Torsten Neumann aber der US-Independent Film. Zum Beispiel „Overnight“ von Mark Brain Smith, eine hochinformative Dokumentation über Aufstieg und Fall von Troy Duffy, einem Barkeeper, der ein Drehbuch schrieb, das ganz Hollywood auf den nächsten Quentin Tarantino hoffen ließ. Aber der Jungstar konnte mit dem Erfolg nicht umgehen. So ließ ihn die Filmindustrie ebenso schnell fallen, wie sie ihn erhoben hatte.
Wilfried Hippen