: Jazz auf dem flachen Land
■ An diesem Samstag findet das 4. Jazzfest in Sulingen statt
Inzwischen müssen viele norddeutsche JazzliebhaberInnen schon nicht mehr mühsam im Straßenatlas suchen, um den Veranstaltungsort einer der attraktivsten Konzertveranstaltungen des Frühjahrs zu finden. In den letzten drei Jahren hat sich Sulingen mit dem kleinen aber feinen Jazzfest einen guten Namen gemacht. Die Sitze im neuen Stadttheater sind bequem, die Akustik gut und der Steinwayflügel wohltemperiert. Hier spielten in den letzten Jahren Egberto Gismonti, John Abercrombie, John Surman und Uli Beckerhoff vor einem erstaunlich großen Publikum.
In jedem Jahr lockt der Veranstalter mit einem berühmten Namen und stellt daneben zwei jüngere, noch nicht so bekannte Formationen vor. Der Topact in diesem Jahr ist das Trio des inzwischen auch schon über siebzig Jahre alten Charlie Mariano. Der amerikanische Saxophonist siedelte schon in den 70er Jahren nach Europa über und machte sich hier einen Namen in Formationen wie „Embryo“, „Pork Pie“ oder dem „United Jazz & Rock Ensemble“. Mit seinem Interesse an fernöstlicher Musik und elektrischer Fusion ist Mariano ein sehr vielseitiger Musiker, und in den 80er Jahren war er in der europäischen Jazzszene allgegenwärtig. Bisher spielte Mariano fast ausschließlich in den Bands, die von anderen Musikern geleitet wurden, und so darf man auf die Musik seines Trios, in dem Dave King (Bass) und Peter Tiehaus (Gitarre) spielen, gespannt sein.
Über die zweite Band des Abends, „Clarion Fracture Zone“ aus Australien, schrieb Arnaud in der taz zu ihrem Auftritt in Bremen vor zwei Jahren: „Sie spielen vielschichtige Soundgemälde, bei denen Assoziationen an weite, archaische Wüstenlandschaften und surreale Traumwelten der Aborigines-Kultur entstehen, ohne daß auf vordergründige Folklore-Momente zurückgegriffen wird. Schöne Ballladen gibt es auch, aber vor allem hochenergetischen New Jazz, bei dem expressive Free-Improvisationen nicht zu kurz kommen.“
Die Gitarristin Susan Weinert bietet schließlich mit ihrer Band einen Zug durch die Gitarrenstile. Bei ihren Auftritten stört es überhaupt nicht, daß man die Vorbilder wie Pat Metheny oder John Scofield genau heraushören kann. Gerade weil sie und ihre Mitspieler gar nicht erst versuchen, ihre Einflüsse zu kaschieren oder auf Biegen und Brechen originell zu sein, führen bei ihnen die eigentlich schon recht ausgetretenen Pfade des Jazzrock wieder auf jungen und vitalen Boden.
Willy Taub
4. Jazzfest Sulingen Samstag abend ab 19.30 Uhr im Stadttheater im Gymnasium
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