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Jasmin Ramadan Einfach gesagtIm Waschgang der analen Phase

Und worüber regt ihr euch derzeit so alles auf?“, fragt die Freundin im warmen Nieselregen.

„In echt oder künstlich?“, fragt der Freund und legt einen Regenwurm ins Gebüsch.

„Über schlechte Musik“, sagt die andere.

„Aufregung kann auch was Schönes haben!“

„Im Sinne von Vorfreude“, seufzt der Freund und blinzelt in einen Sonnenstrahl.

„Manchmal ist sie jedoch nix als lärmende Wichtigtuerei.“

„Aber wenn man sich konkret samt Präposition über etwas aufregt, geht es nicht um Gutes.“

„Die populärste Form der Erregung ist mit Abstand die üble.“

„Ultra beliebt bei Freund und Feind.“

„Was aber bringt es?“

„Sich sensationell negativ aufzuregen?“

„Ausschüttung von Adrenalin?“

„Im Übermaß!“

„Verengen sich da nicht die Arterien?“

„Aber multiplikatives Adrenalin wiederum führt zu Fokussierung, Scharfsinn, Entscheidungsfreude.“

„Sind es denn die besten Entscheidungen, die man in großer Aufregung trifft?“

„Soweit mir wissenschaftlich bekannt, trifft man die besten Entscheidungen, wenn man dringend pinkeln muss.“

„Na, da fasst man sich dann wohl zumindest kurz und kommt schnell auf den Punkt.“

„Schreiben und posten kann man aber ja auch vom Klo aus.“

„Und genau das ist das Problem.“

„Aber auf dem Klo kann man nicht auf jemanden losgehen.“

„Worte können auch ganz schön reinhauen.“

„Mit voller Blase wird man sich aber sicher nicht prügeln.“

„Warum regt man sich überhaupt auf? Niemand mag Leute, die sich ständig aufregen.“

„Vielleicht wollen einige lieber gefürchtet werden.“

„Macht ist verlässlicher als Liebe.“

„Und ohne Anspannung keine Karriere.“

„Wenn du nicht nervös bist, lieferst du nicht ab.“

„Wenn man sich aufregt, nimmt man eine Sache verdammt ernst.“

„Ist Aufregung das Gegenteil von Humor?“

„Auf jeden Fall von Selbstironie.“

„Und Selbstironie ist das Gegenteil von Egozentrik, oder?“

„Von Extremismus.“

„Extremismus und Ironie sind nie in einem Team.“

„Dann also doch Lachtherapie?“

„Nee, also lachen allein ist ja nun völlig durchgeknallt.“

„Wie so ein Horror-Clown.“

„Machthaber lachen viel.“

„Aber nicht über sich.“

„Wenn Selbstironie die Expansion des Bösen aufhalten könnte, dann könnte das womöglich auch die Aufregung über sich selbst leisten, oder?“

„Selbstaufregung wäre der neue polit-psychologische Shit!“

„Aber wenn jetzt alle anfingen, sich selber Scheiße zu finden und all das Negative in, von und an sich zu erkennen, wozu soll das führen?“

Die besten Entscheidungen trifft, wer nötig pinkeln muss

„Katharsis?“

„Hab nie verstanden, was das heißen soll.“

„Das ist so ’ne Art innere Spülmaschine.“

„Aber in welche Schränke sortiere ich dann meine klar gespülten Gefühle?“

„Du musst das mehr so abstrakt sehen.“

„Lass es raus, dann lässt es dich los?“

„Meistens führt Aufregung nur zu noch mehr Aufregung!“

„Und dann irgendwann endlich zur Erschöpfung, oder?“

„Dadurch schlafen alle ein und die Welt dreht sich weiter.“

„Bis zum Morgengrauen.“

„Aber irgendwer ist immer wach.“

„Und fühlt sich nicht genug geliebt.“

„Irgendjemand muss immer aufs Klo.“

„Und will dann allen seinen Scheiß zeigen.“

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