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Jasmin RamadanEinfach gesagtDigitales Detox muss ich auch mal machen

Foto: Roberta Sant'anna

Wie? Du bist nicht bei Instagram und Facebook?“, fragte die Frau die alte Schulkameradin auf einer Premierenparty beim Filmfest.

„Nee, und auch nicht bei Whatsapp oder so. Ich hab kein Handy.“

„Das versteh ich nicht, wie lebst du denn und wieso bist du hier auf der Party?!“

„Ich leb ganz gut, danke und ich bin das Plus Eins von ’nem alten Kumpel.“

„Digitales Detox muss ich auch mal machen.“

„Ich mach das schon seit Jahren so.“

„Wow, das ist krass, aber du hast ’ne E-Mail-Adresse!?“

„Irgendwo so ’nen alten Hotmail-Account, aber ich war da schon seit Jahren nicht dran, gibt ja keine Internet-Cafés mehr, wahrscheinlich ist er längst deaktiviert.“

„Du hast auch keinen Computer?!“

„Irgendwo steht ’ne uralte Kiste auf dem Dachboden, diese ganze Flimmerelektronik hat mich von Beginn an nervös gemacht.“

„Da flimmert mittlerweile aber gar nichts mehr, hier guck mal auf mein IPhone.“

„Nein, danke, ich guck dir lieber ins Gesicht.“

„Wir dachten ’ne Zeit lang, du bist vielleicht tot – bis Rike dich bei der Strandperle gesehen und mir ein Foto geschickt hat! Du hast ja immer noch die grüne Jacke von 94.“

„Na und?“

„Es scheint, als würdest du da auch immer noch leben, Anfang der Neunziger.“

„Was stört dich daran?“

„Nichts, es ist nur so ’ne überhebliche Art von Identitätsverweigerung, man muss sich doch auch irgendwie ins Verhältnis zu anderen setzen, so sind wir Menschen doch.“

„Dafür braucht man doch kein Internet. Es passiert hier doch gerade – du vergleichst dich mit mir und fühlst dich davon angegriffen, dass ich ohne die ganze digitale Pampe auskomme.“

„Du kannst machen, was du willst, aber jetzt mal im Ernst, wie arbeitest du denn? Das geht doch gar nicht mehr ohne.“

„Ich züchte Zierfische und habe ein Festnetztelefon mit Anrufbeantworter.“

„Und das funktioniert?“

„Das Telefon? Ja, bestens, danke.“

„Nein, ich mein, woher weiß man, dass es dich gibt, ohne Internetseite und so?“

„Mundpropaganda.“

„Eher Handypropaganda. Das heißt, du profitierst davon, dass die anderen digital vernetzt sind.“

„Wenn du es so sehen willst.“

„Dann bist du wie diese miesen Impfgegner, die davon profitieren, dass die Kinder der anderen geimpft sind.“

„Das kann man nicht vergleichen, bei meiner Verweigerung geht es nicht um Leben und Tod.“

„Aber um soziale Kontakte, vor allem auch mal neue soziale Kontakte.“

„Mir reichen die alten oder ’n Schnack im Café.“

„Aber außerhalb der Komfortzone, global und außerhalb deiner Blase in deinem Stadtviertel. Du reduzierst dich, wenn du dich nie mal neu spiegelst in der neuen weitreichenden weiterentwickelten Gesellschaft.“

„Ich hege und pflege lieber das, was ich habe, anstatt ständig Neues auszuspähen.“

„Aber Leute von früher können dich ja gar nicht wiederfinden, weil du keine Netz- identität hast. Keiner weiß, wer du jetzt bist – mir hilft das Internet sogar besser zu verstehen, wer ich bin.“

„Ach ja? Guckst du auf deine Profilbilder, wenn du verstehen willst, wer du bist?“

„Ja klar, ständig.“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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