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Jan-Paul Koopmann Popmusik und EigensinnEinsam „Sound of Silence“ pfeifen

Foto: privat

Feste soll man feiern, wie sie fallen; aber gerade macht es wirklich überhaupt keinen Spaß. Denken Sie an Kindergeburtstage unter Kontaktverbot, an Ihren eigenen – oder den Hundertsten Ihrer allerliebsten Konzertkolumne der taz Bremen.

Wirklich wahr: Seit 100 Ausgaben schreiben wir uns kreuz und quer durch die hiesige Live-Szene und ausgerechnet jetzt ist kein einziges Konzert in Sicht. Natürlich könnte alles schlimmer sein und irgendwie wird es schon auch hier weitergehen. Erste neue Platten trudeln bereits ein und im Internet ist ja sowieso genug für alle da. Ohnehin könnte man in der Zwangspause auch fragen, warum wir konzeptionell eigentlich so stark an Konzerten kleben, wo die Musik doch heute mehr denn je immer und überall spielt.

Es gibt zwei Antworten. Erstmal ist das, was sich auf der Bühne (im Moment gerade nicht) verdichtet, ja viel mehr, als dass Künstler:innen eine Auswahl ihres Werks runterspielen. Man trifft sich, ist physisch und sozial dabei – hört endlich mal die Band und nicht immer nur das Produktionsteam an den Reglern.

Vor ein paar Jahren hätte ich beinahe dieses alte Grateful-Dead-Shirt mit dem Skelett gekauft, auf dem es heißt: „Is it live... or is it dead?“ Ich habe mich aber zusammengerissen und mich erinnert, dass ich noch keine 40 bin. Ein bisschen Fetischismus gehört aber wohl tatsächlich dazu – auch unter denen, die zu spät waren für Woodstock und stattdessen über Mixkassetten und Napster sozialisiert wurden.

Der handfestere Grund für unsere Konzertfixiertheit: künstliche Verknappung der endlos scheinenden Popwelt. Wir schreiben nicht zwingend über das, was uns am intensivsten beschäftigt – oder worüber die Szene so spricht –, sondern laut Regelwerk ausschließlich über Bands, die in den nächsten sieben Tagen in Bremen spielen. Und gar nicht mal selten sind die alle ziemlich furchtbar.

Meinen Lieblingssatz der vorliegenden 99 Folgen habe dummerweise nicht ich, sondern den hat der Kollege Moldenhauer geschrieben: „Adorno hätte geschossen.“ Da ging’s um die Linkradikalenkapelle Irie Révoltés und ihr blödes Gerede von Freiheit und dem Sein, wie man so sei. Programmatisch steht das für diese Reihe auch insofern, als dass uns eben sehr interessiert, warum Menschen belanglose Musik nicht belanglos finden. Und warum sie’s darum vielleicht auch gar nicht ist. Liest man die alten Texte nochmal, scheint uns das stets produktiver zu gelingen, je näher uns Menschen und Ideen sind – und je grauenhafter ihre Musik ausfällt. Aufmerksame Leser:innen werden bemerken, dass ich Moldenhauers scharfzüngigen ­Triumphmoment hier schon zum zweiten Mal aus der Mottenkiste hole. Damals ging es um den 50. Geburtstag und um etwas noch weit Wichtigeres: dass wir dringend wegkommen wollten von der Jungsmusik und mehr über Musikerinnen schreiben – auch und gerade weil in unserem Dunstkreis so wenig Frauen auftreten.

Das ging eine Weile ganz gut und ist dann dermaßen krachend gescheitert, dass wir vielleicht doch noch mal über eine zwingende Quote nachdenken sollten. Nicht wenige Texte haben zwar das Maskulinitätsgetue der angekündigten Musikanten problematisiert und teils auch hart angegriffen – aber Repräsentation geht trotzdem anders. Ich werde das mit den Kollegen Schaefer und Moldenhauer besprechen, sobald wir uns wieder treffen dürfen.

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