piwik no script img

Jan-Paul Koopmann Popmusik und EigensinnKlingt opulent und ist wirklich nicht total scheiße

Foto: Privat

Es gibt einem schon zu denken, wenn sich der Künstler mit den Worten vorstellt: „Es ist zwar Progressive Rock, aber nicht total scheiße.“ Klar ist das ein Witz, und bestimmt auch Masche, aber er hat ja total Recht, an dieser Adresse erst einmal von punkversifftem Distinktionsgehabe auszugehen. Der Punk vor dem Postpunk ätzt schließlich immer noch rum: unvergessen ist Johnny Rottens Shirt, mit „I hate Pink Floyd“. Daran ändern auch die harten Fakten nichts. Ich weiß leider nicht mehr, wo es stand, aber irgendwem verdanke ich die Erkenntnis, dass Rotten dieses Shirt ja auch mal als Pink Floyd Merchandise gekauft haben wird. Dass jeder frühe Punk unter dem Bett noch seine alten Prog-Platten versteckt hielt, ist eh ein offenes Geheimnis. Das Rotten-Shirt gibt es heute als Reproduktion im Onlinekaufhaus (100 Prozent Baumwolle, hochwertiger Druck – zwar maschinenwaschbar, aber bitte auf links drehen und nur chlorfreie Bleichmittel verwenden). Aber trotzdem laufen auch bei uns die Artrock-Vorbehalte in Dauerschleife.

Und dann kam T, der eigentlich Thomas Thielen heißt und seinen Progrock nicht total scheiße findet. Sympathisch ist „Solipsystemology“ schon allein, weil T das alles so hartnäckig allein durchgezogen hat. Er singt nicht nur, und hat dazu noch Gitarre, Bass, Keyboard und Schlagzeug eingespielt – er hat sich auch lange ohne Plattenfirma über Wasser gehalten und die Vermarktung gestemmt. Inzwischen ist das zum Glück vorbei und T ist bei Genrelegende Giant Electric Pea in London unter Vertrag.

Und die Platte? Die ist toll, erinnert natürlich ein bisschen an Pink Floyd, an Marillion vielleicht, an David Bowie und an superwichtige andere Bands, die der Autor hier allesamt nicht zu kennen behauptet. Aber auch so ganz offen gehört, beschäftigt es einen schon, wie T sich in melancholischer Weltferne am Pygmalion-Mythos abarbeitet. Hübsch verzwickt ist das, mit präzise gesetzter Emotion, die man ihm aber trotzdem voll abnimmt. Es ist eben keine Masche, sondern sonderbar schlüssig arrangierte Dichte. Völlig zurecht auch von der Fachpresse (Rolling Stone, Musikexpress und Eclipsed) abgefeiert als „Mastermind des deutschen Art-Rock“ und „unbekanntester Topstar der Szene“. Auch wenn uns die egal ist.

Do., 26. 9., 20 Uhr, Meisenfrei

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen