Jan-Paul Koopmann Popmusik und Eigensinn: Schmalz mit Wolf
Auch ohne dumpf auf Authentizität oder andere d.i.y.-Romantizismen abzuheben, lässt sich festhalten: Technischer Fortschritt hat dem Metal nicht gut getan. Vor allem optisch nicht. Denn während nur hart trainierte Sound-Nerds überhaupt mitbekommen, ob da wer seinen Krawall auf 20 Spuren pro Gitarrensaite produziert hat, ist das Elend der Bilder für wirklich jede*n eine tieftraurige Angelegenheit. Bühnenaufbauten erinnern heute an die Geisterbahn vom Rummel und auch im Musikvideo haben Airbrush-Ästhetik und Gewaltschrabbel inzwischen zusammengefunden.
Klar hat das eine lange Vorgeschichte, man denke nur an den Kunstposterkitsch in den einschlägigen Mailorder-Katalogen der 90er. Dass sich der Befund heute ausgerechnet bei Death Angel aufdrängt, überrascht dann aber doch. Auch weil die Traditionsband von der Szenepresse aktuell für ihr vergangene Woche bei Nuclear Blast erschienenes Album „Humanicide“ in den höchsten Tönen gelobt wird. Nach vielen Jahren Dümpelei ist das tatsächlich wieder grundsolide Thrasherei. Und wären da nicht diese schrecklichen Bilder, man würde gar nicht merken, wie bescheuert das alles eigentlich ist.
Im Video von „The Pack“ schwebt die Kamera durch steril animierte Ruinen einer postapokalyptischen Großstadt, zwischendrin rennen gestochen scharfe Wölfe unter dem gleichen Lilafilter durch einen Wald. Um die geht es auch im Text. Das Rudel ist auf der Jagd, passt immer aufeinander auf und hält supergut zusammen: archaisches Gequassel, das folgerichtig in der brachialen Musik aufgehen könnte, wäre da nicht diese bruchlose Harmonie mit dem austauschbaren Düsterkisch der Fantasybilder. „Divided – It’s an impossible course / Together – We become an invincible force / There’s a flame about to ignite / They will never take us alive“.
Wie es auch anders ginge, haben Metallica (die Death Angel damals noch recht nah waren) mit ihrer Wolfsgeschichte vorgemacht: „Shape shift – Nose to the wind / Shape shift – Feeling I’ve been / Move swift – All senses clean / Earth’s gift – Back to the meaning of life“. Hier ist der jagende Wolf zwar eine platte, aber doch immerhin versuchte Auseinandersetzung mit der Natur. Death Angel haben nur ein abstraktes Gewaltbild im Angebot. „And we prepare for war“, heißt es zwischendrin in routinierter Eskalation, während sich die Rhythmusgitarre immer weiter in ein Schlagzeug verwandelt. Krude Schwingungen absolut deckungsgleich in Text, Stimme und Musik zu transportieren, ist die zentrale Leistung des Metal. Es war aber besser, als noch keiner wusste, wie bescheuert es aussieht, was der Musikant da fühlt.
So, 9. 6., 20 Uhr, Tower
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