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Jammertal mit Pop-ups

Sogar Kirchenblättchen werden jetzt digital

„Immer mehr kirchliche Gemeindebriefe werden digital erstellt“, berichtete epd gestern Modernistisches aus der Welt der erbaulichen Blättchen. „Bereits 70 der etwa 300 Gemeindezeitungen“ würden in einem „webbasierten Produktionssystem“ erstellt, zitierte der Dienst Willi Wild, den putzig benamten Chefredakteur der weitaus weniger originell benamten evangelischen Kirchenzeitung Glaube + Heimat. Damit hat die Digitalisierung der Glaubenspostillen ihre Apotheose erreicht. Der allererste Gemeindebrief wurde vom Chefredakteur noch auf zehn Tontafeln gekratzt, die kurzlebige Publikation Christ + Löwe musste sogar mit dem Sandstein römischer Arenen vorliebnehmen. Anschließend folgten Postillen wie Prälat + Pomp und Schick + Schisma in feinstem italienischem Carrara-Marmor, bis die Reformation der Prachtentfaltung ein Ende machte. Die ersten protestantischen Gemeindebriefe wurden mit den schwarzen Zähren der Demut auf härenes Tuch notiert. Auf einem besonders verheerenden lutherischen Kirchentag der 80er Jahre wurden Betroffenheit und Jutesack erfunden, die beim Lesen noch mehr Juckreiz verursachen. Künftig werden die Gläubigen nervige Pop-ups daran erinnern müssen, dass die Welt ein Jammertal ist.

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