■ Jamaika-Krimis: Zahls Helden
An den Ruffneck-Romanen von Peter-Paul Zahl kommen Jamaika-Reisende kaum vorbei. Am besten liest man sie mit einer Landkarte der Insel neben sich. So kann es einem passieren, daß man abends in einem Terrassenrestaurant speist – sagen wir, dem „Bonnie View“ in Port Antonio – und feststellt, daß Zahls Held Ruffneck just dort einem Mord beigewohnt hat. Nicht immer ist alles ganz durchsichtig in den Geschichten. Da ähnelt Zahl seinem großen Vorgänger Chandler, der ja bisweilen auch nicht ganz durchblickte.
Aber wer blickt in Jamaika schon durch? Mit Zahl und seinem „anarchoiden“ Helden jedenfalls erschließen sich dem Leser Land und Leute, Babylon und „Babyfather“-Kultur, Politik und Alltag von Jamaika besser als mit jedem Reiseführer. Und auch die Freunde des provokanten Zahl kommen auf ihre Kosten: Immer wieder haut er seinen deutschen LeserInnen ein paar karibische Schwinger rein. Etwa die Beschreibung eines „Rent- a-Dread“ in dem Sextourismus-Roman „Nichts wie weg“. Allerlei merkwürdige Überlegungen im Zahl- O-Ton:
„,Die weißen Männer können nich ficken‘, sagte er [der Rent-a-Dread] stets, auf den Grund seines Erfolges angesprochen, ,außerdem saufense zuviel.‘
Das aber war nur die Hälfte der Erklärung für den Sextourismus weißer Frauen in der Karibik. Die jungen, oft schönen, schwarzen, breitschultrigen und schmalhüftigen stolzen Jungs, die nicht einmal richtige Rastas waren, bildeten nur die Objekte einer neuen Form der Ausbeutung der Dritten Welt. Diese „edlen Wilden“ mit den geschmeidigen Bewegungen ... waren für übersättigte und frustrierte, angeschlagene, weiße Frauen Traumbilder von Männern, mit denen man sich nicht auseinanderzusetzen braucht... Deren unverkrampfter Umgang mit der Sexualität sich so erfrischend unterschied von dem der Softies oder Chauvies oder Papagalli der Ersten Welt; die man benutzen konnte, wie Frauen von Männern jahrtausendelang benutzt wurden; die den Bedürfnissen einer kurzen Spanne Urlaubs in einer der schönsten Gegenden der Welt entgegenkamen; die man vergessen oder verlassen konnte, sobald diese Spanne vorbei; die man bezahlte, weil sie arm waren... Die jedoch naiv und romantisch genug waren, jene erotischen Bedürfnisse abzudecken, deren Zerstörung eine der wichtigsten Errungenschaften der industriellen Revolution und des kapitalistischen oder bürokratischen Puritanismus ist...“ Thomas Pampuch
Die Jamaika-Romane von Peter-Paul Zahl sind im Verlag Das Neue Berlin erschienen. Bisher liegen vor: „Der schöne Mann“ (1994, 160 S. 24,80DM); „Nichts wie weg“ (1994, 160 S., 24,80DM); „Teufelsdroge Cannabis“ (1995, 160 S., 24,80DM); „Lauf um dein Leben“ (1996, 224 S., 28DM)
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