Jahrestag des Mauerbaus: Frische Blumen und Theaterblut
Am 48. Jahrestag des Mauerbaus werden jede Menge Kränze nieder gelegt. Nur auf dem Potsdamer Platz gibt es kein stilles Gedenken. Hier knallen Schüsse.
Die Offiziellen: 23 Kränze liegen vor der rostigen Wand an der Gedenkstätte Bernauer Straße. Weiß-rot ist der Kranz des Abgeordnetenhauspräsidenten. Lila-gelb der der FDP. Violett der der Linken. Angela Merkel und die Bundestags-SPD vertrauen offenbar demselben Floristen. Und der steht auf Rot-Gelb.
Die dazugehörigen Würdenträger sind um kurz vor 11 Uhr noch in der Kapelle der Versöhnung. Ein älteres Paar legt eine Blume ab. Anfang der 70er-Jahre hätten sie selbst versucht, aus der DDR zu fliehen, erzählt der Mann. Dafür habe er zwei Jahre gesessen. Blumen bringe er jedes Jahr am 13. August. "Die 5 Euro sollte das einem wert sein", meint er. Seine Blume wird die einzige private bleiben neben den Kränzen der Offiziellen.
Dann tritt eine lange Reihe von Volksvertretern vor die Mauer, darunter der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), CDU-Landeschef Frank Henkel, Bundestagvizepräsidentin Petra Pau (Linke). Jeder zupft an seinem Kranz, schweigt eine Minute und geht wieder. Im Hintergrund wird ein CDU-Transparent entrollt. "SED/PDS/Linke - Betrug mit System" steht darauf. "Die Junge Union war auch schon mal kreativer", meint Petra Pau.
Die Musikalischen: 14 Kränze liegen um 12 Uhr am Mahnmal für Peter Fechter in der Zimmerstraße. Das Gedenkpublikum ist nahezu identisch. Nur Wowereit wird hier von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) vertreten. Das Polizeiorchester Brandenburg spielt die Nationalhymne. Am größten Kranz in der Mitte zupft Mathias Döpfner, Chef des Springer Verlags, in dessen Nachbarschaft Fechter 1962 im Mauerstreifen verblutete. Sofort nach einem Interview für bild.de schaltet er zurück aufs Tagesprogramm: "Was von unserer Frühstücksbesprechung war noch offen geblieben?", fragt er eine Begleiterin.
Die Theatralischen: Kränze gibt es keine um 13 Uhr am Potsdamer Platz. Vor den sechs Mauerteilen steht Carl-Wolfgang Holzapfel. Er ist Chef der "Vereinigung 17. Juni", stellvertretende Vorsitzender der "Vereinigung der Opfer des Stalinismus" (VOS), war mal bei der CDU, bei der FDP, bei den Republikanern, bei der CSU. Immer "Kämpfer gegen die Mauer", wie er selbst sagt.
Zwei Männer und eine Frau in rot gesprenkelten T-Shirts versuchen die Mauer zu erklettern. Dann sind Schüsse zu hören - aus einem Gettoblaster. Die drei sinken zu Boden, Theaterblut fließt aus ihren Mündern. Holzapfel verliest derweil die Namen der 136 Mauertoten. Zu jedem erklingt eine neue Salve.
Das "demonstrative Szenarium" richtet sich gegen Schauspieler, die hier für Geld DDR-Visa in Touristenpässe stempeln. Das findet Holzapfel zwar akzeptabel, auch dass sie heute russische Uniformen tragen, doch wenn sie wie sonst als DDR-Grenzer auftreten, sei das unerträglich. "Denn die haben Menschen erschossen", sagt Holzapfel.
"Wir sind die Einzigen, die hier jeden Tag den Touristen die Geschichte erklären", verteidigt sich einer der Uniformierten. Da haben sie ihre DDR-Fahne schon eingerollt. Später bauen sie ihren ganzen Stand ab.
Auch die VOS-Show sei Theater - aber politisch, so Holzapfel. Wenn der kommerzielle Schauspieltrupp das VOS-Geballer nachspielen würde, würde er erst recht protestieren.
EIN GRENZSOLDATSPIELER VERTEIDIGT DIE KOMMERZIELLE ERTEILUNG VON
DDR-VISA AN TOURISTEN
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