Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli: Sie wollten nur mal diskutieren

Turbulente Vereinssitzung: St. Paulis Vizepräsident Gernot Stenger soll abgewählt werden - und dann doch nicht.

Muss doch nicht das Feld räumen: Gernot Stenger. Bild: dpa

Am Ende sind die Wogen geglättet. Der Antrag Gernot Stenger aus dem Präsidium des /www.fcstpauli.com:FC St. Pauli abzuwählen ist zurückgezogen und der Kritisierte hat gar "versöhnliche Töne" bei seinen Gegnern ausgemacht. Es ist nach Mitternacht, die Tagesordnung ist noch lang, doch die Luft raus aus der Jahreshauptversammlung des Fußball-Zweitligisten, die eine Stunde zuvor noch von heftigen Wortgefechten geprägt war.

Anlass der Kontroverse: Zwei Mitglieder der einflussreichen Arbeitsgemeinschaft interessierter Mitglieder hatten einen Abwahlantrag gegen Stenger gestellt. Stenger soll im Zusammenhang mit der im Deutschen Fußballbund und der Deutschen Fußball Liga geführten Diskussion über die Sicherheit in den Fußballstadien zweimal gegenüber dem Ständigen Fanausschuss die Unwahrheit gesagt haben.

Dabei ist, so begründet Antragssteller Michael Dannenfelser das Papier, "die Abwahl nicht das Ziel" des Abwahlantrages. Vielmehr sei er nur ein Vehikel um auf der Versammlung "eine Grundsatzdebatte über das Verhältnis von Verein und Fans" in Gang zu bringen und je nachdem, wie diese verlaufe, werde man "den Antrag später wieder zurückziehen".

Eine Strategie, die auf Kritik stößt. "Wenn man eine Diskussion will, ist es nicht in Ordnung sich eine Person so rauszugreifen", rügt Karsten Marschner, der Geschäftsführer des Hamburger Fußball-Verbandes und ein anderes Clubmitglied wird noch deutlicher: "Ihr bringt hier einen Kopf auf den Schafott und mobilisiert den Mob." Gellende Pfiffe und ein halbes Dutzend Redebeiträge mit der Botschaft, man lasse sich hier nicht als "Mob" abqualifizieren sind die Reaktion.

Gernot Stenger hingegen bleibt sachlich. Minutenlang führt er aus, wo er sich überall eingesetzt hat - ob beim Kartenverkaufsverbot für Rostock-Fans oder dem Stadionwachen-Umzug: Stets habe er für die Belange der Fans gestritten. An diesem Punkt wird der Dissens, die Quelle für das gegenseitige Misstrauen zwischen einigen Fangruppen und dem Präsidium deutlich: Während Stenger später betont, solch ein Engagement für Fanbelange durch das Präsidium gäbe es in kaum einen anderen Verein, ist dieser Einsatz für viele Fans schlicht selbstverständlich. Und in der Wahrnehmung der Probleme liegen Welten zwischen dem Rechtsanwalt Stenger, seinem Präsidiumskollegen Bernd-Georg Spies und den Fans ohne Anzug, Krawatte und üppiges Gehalt. "Ihr werdet nicht auf Auswärtsspielen von Polizeieinsätzen mit Knüppeln und Pfefferspray empfangen", bringt es ein Anwesender auf den Punkt und fordert das Präsidium auf: "Holt euch Fanvertreter in eure Sitzungen, holt euch fundierten Rat." Es ist der Satz, der den lautesten Applaus des Abends auslöst.

Pfiffe hingegen gibt es für Bernd-Georg Spies, der der an diesem Abend die Rolle des "bösen Buben" spielt, während der angeschlagene Stenger als good guy zu überleben versucht. Auf Krawall gebürstet, zitiert Spies minutenlang aus internen Präsidiumsprotokollen, aus denen hervorgehe, dass sich die Führungsspitze des Vereins kritisch mit den DFL-Richtlinien zur Stadiensicherheit auseinandergesetzt hat. So habe das Präsidium den von der DFL vorgeschlagenen Maßnahmenkatalog gegen Fangewalt als "bedenklich und nicht umsetzbar" bezeichnet und sich sogar für eine ergebnisoffene Diskussion des "kontrollierten Einsatzes von Pyrotechnik" in den Stadien ausgesprochen. Am Ende fordert Spies "eine Entschuldigung" der Antragssteller bei seinem Präsidiumskollegen Gernot Stenger. Ihr Abberufungsantrag sei ein "Stück aus dem Tollhaus", eine "groteske Machtdemonstration". Die letzten Worte von Spieß gehen in einem Pfeifkonzert unter und kurz darauf diskutiert eine Handvoll Vereinsmitglieder in den Fluren, ob man auf dem Abwahlantrag nicht einfach den Namen Stenger streichen und durch den Namen Spies ersetzen sollte.

"Dein Redebeitrag strotzte vor Arroganz und Aggressivität - es ist schwer erträglich, sich so von oben behandeln zu lassen", klagt ein Vereinsmitglied in Richtung Spies und auch Aufsichtsrat Roger Hasenbein befindet: "Das war ein extrem kontraproduktiver Redebeitrag." Die versammelten Mitglieder fordert er auf: "Vergesst die Rede von Spies, wenn ihr über Stenger entscheidet". Das aber ist dann nicht mehr nötig, als der Abwahlantrag nach einstündiger Debatte seine Schuldigkeit getan hat und von den beiden Antragstellern erwartungsgemäß zurückgezogen wird.

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