Jahresbilanz der Datenschützerin: Latente Missstände

Die Datenschutzbeauftragte Imke Sommer fürchtet eine "grauenhafte" Entwicklung für ArbeitnehmerInnen und fordert "Gesetze statt Gnadenwillkür"

Immer häufiger: Videoüberwachung Bild: DPA

Drei Eingaben pro Tag, die einer "ernsthaften Beratung" bedürfen, Tendenz steigend: Das ist, rein zahlenmäßig, die Jahresbilanz der Landesdatenschützerin Imke Sommer, die gestern vorgestellt wurde. Die großen Skandale blieben 2010 aus, die Zahl der kleineren hat zugenommen. Für die Zukunft fürchtet Sommer insbesondere beim Arbeitnehmer-Datenschutz eine "grauenhafte" Entwicklung.

Zwar liege dazu mittlerweile ein seit sehr langer Zeit erwarteter Gesetzentwurf vor - doch es gäbe "besser keinen als diesen", sagt Sommer. Sie fürchtet massive Verschlechterungen für die Beschäftigten auch in Bremen. So wäre künftig beispielsweise ein Screening der Kontodaten aller MitarbeiterInnen auch ohne Ankündigung oder Anfangsverdacht künftig "in Ordnung", wenn sie mit Korruptionsbekämpfung begründet wird. Zum Vergleich: 2009 musste die Bahn 1,2 Millionen Euro Bußgeld zahlen, weil der Konzern über Jahre hinweg massenhaft heimlich Mitarbeiterdaten abgeglichen und Mails kontrolliert hatte. Auch die permanente offene Videoüberwachung eines auch als Sozial- genutzten Konferenzraums wäre nicht mehr zu beanstanden. Selbst das strikte Frageverbot beim Vorstellungsgespräch nach einer Schwangerschaft wäre "künftig nicht mehr so eindeutig", so Sommer. Sie sei "relativ frustriert" über die Entwicklung: "Misstrauen und Kontrolle bekommen einen riesigen Stellenwert."

Wenig Vertrauen hat Sommer in Selbstverpflichtungen: "Freiwillige Zugeständnisse" könnten die Rechte der Menschen auf Schutz der Privatheit und demokratische Beteiligung "nicht wirklich sichern", sagt sie mit Blick auf Wikileaks und Google Street View. Sie fordert "Gesetze statt Gnadenwillkür".

Als "Riesen-Problem" stuft Sommer den Umgang insbesondere der Unternehmen mit der Videoüberwachung ein: "Die können sich darauf verlassen, selten erwischt zu werden", zudem seien sie auch nach Intervention der Datenschützer "nicht immer einsichtig". Umgekehrt gebe es aber auch in der Bevölkerung oft "wenig Sensibilität" - die Menschen hätten sich "an vieles schon gewöhnt".

Aber auch im medizinischen Bereich listet der Jahresbericht allerlei Missstände auf: Patientendaten aus der Psychiatrie wurden auf der Straße entdeckt, ein Klinik-Entlassungsbericht wurde entgegen des Patientenwunsches an andere Ärzte weitergegeben, ein Verdacht auf Arzneimittelmissbrauch von der Kassenärztlichen Vereinigung weitläufig an Ärzte mitgeteilt.

Positives zu berichten hatte Sommer auch: "Ganz toll" sei das jüngst novellierte Bremische Informationsfreiheitsgesetz.

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