: Jagd auf Migranten
In Libyen töten Einheimische 50 afrikanische Einwanderer. Algerien schiebt 2.000 Illegale in die Sahara-Wüste ab
BERLIN taz ■ Mindestens 50 schwarzafrikanische Einwanderer sind in Libyen bei blutigen Zusammenstößen mit Einheimischen ums Leben gekommen. Wie die in London erscheinende Zeitung Al-Hayat sowie eine unabhängige Zeitung im Sudan am Montag und Dienstag meldeten, wurden bei Kämpfen in der Stadt Zawiya 40 Kilometer westlich der Hauptstadt Tripolis etwa 50 Immigranten aus Tschad und Sudan getötet und dutzende verletzt. Gestern kündigten die libyschen Behörden landesweite Sicherheitsmaßnahmen an, um die Unruhen zu beenden. Der Staatsrundfunk berichtete, Libyens Privatbetriebe sollten keine Ausländer mehr einstellen.
In Libyen, das 5,5 Millionen Einwohner zählt, leben nach Schätzungen über eine Million schwarzafrikanische Einwanderer, darunter 500.000 aus dem südlichen Nachbarstaat Tschad und hunderttausende weitere aus Sudan und Westafrika. Sie werden von der einheimischen Bevölkerung zumeist verachtet, während der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi sich selbst als Führer eines geeinten Afrika begreift.
Die Gewalt in Zawiya begann laut einer Protestnote der sudanesischen Regierung am 20. September. Anfang dieser Woche berichteten offizielle Stellen im Tschad der französischen Nachrichtenagentur AFP, bei Zawiya seien tschadische Migranten in großer Zahl in ein Lager gesperrt worden. Libyens Regierung dementiert zwar die Berichte über Todesopfer, streitet aber die Existenz von Spannungen nicht ab. „Es geht einfach um einen Streit unter Afrikanern über ein moralisches Problem, das die Libyer nichts angeht“, sagte ein Sprecher des libyschen Außenministeriums am Dienstag.
Afrikaminister Ali Abdel Salam Triki präzisierte bei einem Besuch in Jordanien, es habe in Zawiya Schlägereien zwischen Libyern und Nigerianern gegeben, nachdem nigerianische Männer „Mädchen belästigt“ hätten. Es seien mehrere Verhaftungen erfolgt. Die offizielle Zeitung al-Zahf al-Akhdar nannte die Zusammenstöße gestern „Hochverrat“, provoziert von „Agenten des internationalen Imperialismus“, die die afrikanische Einheit zerstören wollten.
Eine Zeitung aus Ghana meldete gestern zudem, zwei Ghanaer seien bei einer Demonstration vor der ghanaischen Botschaft in Libyens Hauptstadt Tripoli getötet worden. Ghanaische Immigranten hätten gegen das Verschwinden von einer Million Dollar ihrer bei der Botschaft verwahrten Ersparnisse protestiert. Bei dem Zwischenfall habe es zahlreiche Verletzte gegeben.
Nicht nur in Libyen geraten schwarzafrikanische Migranten unter Druck. Algeriens Regierung begann am Wochenende nach einem Bericht der Zeitung el-Watan, 2.000 illegale Einwander aus Nigeria, Senegal und Gambia aus einem improvisierten Flüchtlingslager in einem ausgetrockneten Flussbett an der Grenze zu Marokko zu entfernen, um sie in ihre Heimat abzuschieben. Die ersten 200 wurden in ein Haus in der Stadt Maghnia gebracht und sollen nun über Land durch die Sahara-Wüste in Algeriens südlichen Nachbarstaat Mali transportiert werden. Ihr aus Pappkartons und Plastiktüten gebastelter Unterschlupf wurde von algerischen Soldaten verbrannt.
DOMINIC JOHNSON
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen