: Jagd auf Lehrer in Thailands Südprovinzen
Die seit Januar 2004 andauernde Welle der Gewalt fordert immer mehr zivile Opfer. Pädagogen wollen sich bewaffnen
BANGKOK taz ■ Dusit Laosing, Direktor einer Schule in der Provinz Pattani, war mit dem Auto unterwegs, als er vor wenigen Tagen von Unbekannten erschossen wurde. Ein weiterer Vorsteher einer Schule im benachbarten Narathiwat, der 47-jährige Chaiyan Chaisawang, war kurz zuvor beim Einkaufen ermordet worden. Ob die Täter in beiden Fällen mutmaßliche Islamisten waren oder es sich bei den Morden um persönliche Racheakte handelte, ist noch unklar.
Hardliner in Regierung und Militär machen hauptsächlich Separatisten für die Bomben, Erschießungen und neuerdings auch Enthauptungen in den Südprovinzen verantwortlich. Sie propagieren eine „Politik der harten Hand“. Andere Beobachter gehen davon aus, dass es sich vielfach um Alltagskonflikte zwischen der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung und den von Bangkok eingesetzten buddhistischen Autoritäten handelt, die oft ihre Macht missbrauchen.
Thailand war schon in den 70er- und 80er-Jahren Schauplatz separatistischer Auseinandersetzungen. Doch die seit Januar 2004 andauernde Welle der Gewalt hat eine neue Dimension. Immer mehr Zivilisten wurden zur Zielscheibe, darunter vor allem Lehrer. Insgesamt seien 48 Schulen niedergebrannt und 24 Angehörige des Erziehungspersonals getötet worden, bilanzierte der Lehrerverband der Provinzen Yala, Pattani und Narathiwat.
Derzeit haben rund 3.600 der etwa 14.900 dortigen Lehrkräfte um ihre Versetzung ersucht. Die zuständigen Autoritäten erwägen, in Schulen mit drastischem Personalmangel Militärs und Polizei als Lehrer einzusetzen. Zuvor hatten weite Teile der Lehrerschaft gefordert, man solle ihnen das Tragen von Waffen erlauben.
Das Erziehungsministerium in Bangkok zog die Notbremse: Während der zuständige Vizeminister Rung Kaewdaeng kürzlich noch verkündet hatte, man werde etwa 800 Gewehre an Lehrer im Süden verkaufen, wehrte Rungs Chef, Erziehungsminister Adisai Bodharamik, ab: Er habe weder die Absicht, Lehrer zum Tragen von Waffen zu ermutigen noch deren Kauf zu finanzieren. Doch könnte sein Ministerium helfen, den Betreffenden Waffenscheine zu besorgen.
Für die Lehrer im Süden ist das Thema damit nicht vom Tisch: Erst kürzlich hatte die Organisation Pattani Teachers’ Saving Cooperative angekündigt, sie habe für die, die sich bewaffnen wollten, Kredite von 20 Millionen Baht (400.000 Euro) bewilligt. Auf die gespannte Sicherheitslage fatal auswirken dürften sich zudem die neuen Notstandsgesetze. Diese ersetzen das im tiefen Süden geltende Kriegsrecht und sichern vor allem Premier Thaksin Shinawatra uneingeschränkte Vollmachten zu. Sie erlauben ihm, die Inhaftierung Verdächtiger anzuordnen, Zeitungen zensieren und Telefone anzapfen zu lassen.
Kritiker werteten die neuen Gesetze als „Schlag ins Gesicht“ für die von Thaksin eingesetzte Nationale Versöhnungskommission unter Vorsitz von Expremier Anand Panyarachun. Dieser befürchtet die Verschärfung des bislang lokal begrenzten Konflikts. „Die Autoritäten haben ineffizient gearbeitet und Unschuldige verhaftet statt der wahren Täter“, so Anand. „Ihnen erweiterte Kompetenzen zu geben kann zu vermehrter Gewalt führen.“ NICOLA GLASS