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Archiv-Artikel

Jaaaaaaaa! Wir sind Weltkulturerbe

Rathaus und Roland schafften im zweiten Anlauf den Sprung auf die tourismusfördernde Liste der UNESCO. Jubel bei den Politikern der Hansestadt. Rückenwind für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2010 erhofft. Imagegewinn garantiert

Von fis

Bremen taz ■ Morbid umplantschtes Venedig, zerbröselnde Majestät der Chinesischen Mauer, tierisches Gewusel im Serengeti-Nationalpark Tansania. Da fehlt doch was auf der Liste unbedingter Reiseziele? Klar, die grandiose Landschaft des amerikanischen Grand Canyon sowie die Farb- und Formenvielfalt des Great Barrier Reef vor der Küste Australiens. Da fehlt noch was? Ok, Florenz, Wien, der Dom zu Köln. Und?

Bremen natürlich! Haben wir doch dieses gotisch charmant errichtete Rathaus (1405–1409) mit seiner prächtigen Weser-Renaissance-Fassade des Bremer Baumeister Lüder von Bentheim aus dem 17. Jahrhundert. Nicht zu vergessen die Jugendstil-Güldenkammer Heinrich Vogelers. Und natürlich der steinerne, 5,50 Meter gen Himmel sich reckende Wächter bürgerlicher Freiheiten: Ritter Roland.

Mit diesem architektonisch-skulpturalen Prunk-Ensemble ist Bremen jetzt in die Meisterklasse des kollektiven Gedächtnisses aufgenommen worden: „Weltkulturerbe der Menschheit“ dürfen sich Rathaus und Roland ab sofort nennen. Darauf einigte sich das Vergabekomitee der Unesco auf seiner Sitzung im chinesischen Suzhou, teilte gestern ein Sprecher der UN-Kulturorganisation in Bonn mit.

Deutschland hat damit 30 Weltkulturerbestätten. 788 zusätzliche sind in 134 weiteren Ländern zu bereisen.

Zusammen mit Bremen wurde auch das Dresdner Elbtal und der Fürst-Pückler-Park in Bad Muskau an der sächsisch-polnischen Grenze in die Unesco-Liste aufgenommen.

Durch die Entscheidung in Suzhou erhoffen sich Bremer Politiker Rückenwind für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2010. „An der Bedeutung Bremens als europäischer Kulturstadt kommt jetzt sicherlich niemand mehr vorbei“, frohlockte denn auch Kultursenator Hartmut Perschau (CDU).

Die gerade beendete Feierei zu Rolands 600. Geburtstag darf also fortgesetzt, die Reiseführer für globetrottende Menschen müssen umgeschrieben werden. Auch der honorige „Baedecker“ kann Bremen und sein Rathaus nun nicht mehr mit einem einzigen Sternchen abspeisen – und so auf eine Stufe mit Husum und Bad Mergentheim stellen. Bremen spielt seit gestern in der anderen Liga: Champions League.

Im vergangenen Jahr war die Entscheidung über den Bremer Antrag noch ausgesetzt worden, weil die Internationale Vereinigung der Denkmalpfleger (ICOMOS) als maßgebliche Gutachterin den „außergewöhnlichen, universellen Wert“ und die historische „Authentizität“ der Bausubstanz des Rathauses angezweifelt hatte. Daraufhin wurden Fachgutachten nachgereicht, dank derer auch die ICOMOS die „herausragende Form der Architektur der späten Renaissance“ und die nur maßvollen Veränderungen des nie zerstörten Bauwerks anerkennen musste. Rathaus und Roland seien ein „einzigartiges Zeugnis für bürgerliche Autonomie und Souveränität“, heißt es darin. fis