JUGENDFREIE SCHLEPPERFILME: Barbara hat Bock auf Rock
■ Heute: Das Filmprojekt »Young Collections« feiert seine ersten Erfolge
Als ein Dauerbrenner des Kurzfilmgenres erwies sich »Bock auf Rock« des Hamburgers Georg Fussel.
Eine junge Frau ist auf dem Weg in ihren allabendlichen Aerobic-Kurs. Sie will sich eben nur noch schnell ein Päckchen leichte Zigaretten ziehen, doch die einsame Bar, in der sie vergeblich einen Automaten sucht, gerät ihr zum Verhängnis. Soeben spielen Gary Moore und seine Combo (dargestellt von eben jenen) mit einem fetzigen und kernigen Rock'n'Roll-Stück auf, das unter die Haut geht.
Sofort verfällt der Body des Mädchens in konvulsive Zuckungen. Von nun an gehorcht er nur noch dem treibenden Beat, der sie durch die (Gott sei Dank leere) Kaschemme schleudert, wie einen Pingpongball. Erst mit dem Ende des Rockstücks endet auch der Geistertanz der jungen Frau, und mit dem letzten Akkord findet ein Lächeln auf den stummen Lippen des Mädchens seinen Platz, quasi als kleines »Dankeschön«. Ein modernes Märchen? Eine gelungene Chaplineske? Oder nur eine Ode an den Rock'n'Roll?
taz: Georg, wie erklärst du dir den Erfolg von »Bock auf Rock« in den deutschen Kinos? Ist der Rock'n'Roll nicht out?
Georg Fussel: Nein, ganz und gar nicht, ohne Rock läuft gar nichts. Kaum wurde mein Film in den Kinos gezeigt, als auch schon Levis mein Beispiel nachahmte und Should I stay or should I go von The Clash zum Kinohit machte.
Trotz der großen Begeisterung für deinen ersten Film gibt es auch kritische Stimmen. Immerhin wird das Mädchen in deinem Film schier vergewaltigt von der Musik, oder wird sie nun von der Musik geheilt?
Barbara, der Darstellerin, hat das alles ungeheuren Spaß gemacht. Was sie da macht, ist für sie eine Hommage an den Ausdruckstanz der 20er Jahre. Die Frau, die sie darstellt, konnte bisher mit ihrem Body nichts anfangen. Das Aerobic hat sie auch nicht weitergebracht. Klar, etwas ironisch ist das Ganze schon, aber was da passiert, ist phänomenal: Ein stummes, vereinsamtes Mädchen findet ihren Way of Life. Ich sehe das für mich als eine Fortsetzung von Kenny, der Geschichte des Jungen ohne Unterleib, der sein Ich mit Skateboardfahren wiederfindet.
Georg, du hast vor zwei Jahren die »Young Collections« gegründet, wo andere junge Filmemacher und du eine Interessengemeinschaft bilden. Mit dabei ist ja Hendrik Petschel, dem aber mit seinem Streifen »RolloAller« noch kein so großer Erfolg beschieden ist, obwohl er sogar den Song zu seinem Film selber geschrieben hat. Mit dem Stück »Raus aus der Gesellschaft, rauf auf den Bock, raus aus der Szene und rein in den Rock« beschreibt er doch viel genauer das Anliegen von Young Collections?
Ja, aber in seinem Film wird zuviel geredet. Andauernd solche Sprüche wie »Mach dich mal gerade, du Klappstuhl« oder »Ich kann jetzt nich wech, Alter, meine Alte hat'n Braten inner Röhre« sind irgendwie zu zynisch. Mit meinem Kurzfilm Bock auf Rock habe ich gezeigt, daß da, wo kein Wort geredet wird, auch 'ne klare Messetsch rüberkommen kann.
Georg, vielen Dank für das Gespräch.
Bock auf Rock von Georg Fussel, BRD 1990, 110 sec.
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