J.K. Rowlings „Ein plötzlicher Todesfall“: Ein Meer aus klischierter Sülze
J.K. Rowlings neues Buch ist das, was übrig bleibt, wenn man Harry Potter aus „Harry Potter“ entfernt: Ein Buch mit wenig Spannung und vielen Klischees.
In seiner eigenen Kotze liegt ein Mann vor dem Golfclub, um ihn Geschrei, Blaulicht, heulende Frauen. Barry Fairbrother, Familienvater, Rudertrainer und führende Figur im Gemeinderat der kleinen englischen Gemeinde Pagford ist tot.
Um Machtspiele und Verwerfungen nach dem Hinscheiden Fairbrothers geht es in J.K. Rowlings neuem Roman „Ein plötzlicher Todesfall“ – inklusive Cybermobbing, viel Sex und Vergewaltigung.
Immer wieder hat Rowling darauf verwiesen, man solle dieses Buch nicht mit ihrem großen Erfolg vergleichen – den Büchern um den jungen Zauberer Harry Potter, der erst seine Magierschule und später die Welt rettet. Tatsächlich muss man diesen Roman aber unbedingt mit „Harry Potter“ vergleichen.
Denn „Ein plötzlicher Todesfall“ spielt in derselben englischen Klein- und Vorstadtwelt, aus der auch Harry Potter kommt: Der Zauberlehrling wohnt bei seiner Pflegefamilie, den Dursleys, im pittoresken Privet Drive, in Pagford lebt man ebenso pittoresk in Evertree Crescent und Church Row. Hinter dem Anschein des Normalen lauern die Abgründe, je freundlicher sich die Menschen begegnen, desto mehr hassen sie sich und – zumindest in Rowlings Vorstellung – bevölkern diese Welt viele dicke Menschen, deren groteskes Äußeres bis zur letzten Schwarte beschrieben gehört.
Wie die letzten Bücher der Potter-Reihe ist der „Todesfall“ vor allem ein Roman über das Erwachsenwerden, wenn auch derber. Hier dürfen Teenager rauchen, sich selber ritzen und vögeln. Sie dürfen sich auch vorstellen, der eigene Vater würde von einem Unbekannten abgeknallt. Doch leider ersaufen die Passagen mit schwarzem Humor, bissiger Satire und spielerischer Ironie – die in der britischen Literatur allerdings solider Standard sind – in einem Meer klischierter Sülze. Als die Herzdame eines jungen Mannes nicht wie ersehnt im Schulbus mitfährt, leidet der Enttäuschte „mit Schmerzen im Herzen und Feuer in den Lenden.“
Der „Todesfall“ ist das, was übrig bleibt, wenn man Harry Potter aus Harry Potter entfernt: ein Buch über das langweilige Leben der Dursleys, deren leiblichen Sohn und dessen sozial auffällige Freunde. J.K. Rowling entlockt mit ihrer einfachen Sprache und konventionellen Erzählweise dem faden Alltag zu wenig Spannung. Dafür braucht sie jemanden, der zaubern kann. Sie selbst vermag es offensichtlich nicht.
Joanne K. Rowling: „Ein plötzlicher Todesfall“, Carlsen Verlag, Hamburg 2012, 575 Seiten, Preis: 24,90 Euro
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels