JENNI ZYLKA über PEST & CHOLERA : Wo sind meine Konzentrationstropfen?
Schlimm: Drogen und Alkohol. Schlimmer: Milchdüsen sauber machen. Am schlimmsten: „Dru Barrymore“ googeln
Eine Freundin hat mir neulich von ihren präpubertären Drogenerfahrungen erzählt. Sie war 11, als sie vom Arzt irgendwelche windigen Medikamente „zur besseren Konzentration“ verschrieben bekam, und merkte kurze Zeit später, dass sie stundenlang Formeln durchlernen konnte, wenn sie nach den Tropfen auch noch einen Schluck vom elterlichen Whisky nahm. Es dauerte fast ein Jahr, bis ihre Eltern ihre Sucht bemerkten und ihr kommentarlos die Konzentrationstropfen strichen, und meine Freundin behauptet, sie sei darum in Mathe gleich drei Noten abgerutscht. Ich war ganz beeindruckt – in dem Alter hab ich schließlich höchstens mal versucht, „Kräuter der Provence“ zu rauchen, und das hätte, wenn überhaupt, ohnehin nur in WUK (Welt- und Umweltkunde) geholfen. Noch spektakulärer als das mit den Amphetaminen fand ich aber das mit dem Whisky: Mit zarten zwölf schon Jim Beam zu mögen ist heldenhaft! Wo wir anderen uns damals literweise Cola oder O-Saft oder Kirschsaft in den Schnaps kippen mussten, damit wir ihn runterkriegen. Heutzutage haben die Kids ja Alcopops, da geht das viel leichter.
Wo war ich? Ach ja, in der Bar. Neulich musste ich nämlich in einen Haushaltsutensilienspezialladen, um ein Geburtstagsgeschenk umzutauschen, und ich war bass erstaunt, wie viele unglaubliche Bar- und Küchenutensilien es doch gibt für den, der schon alles hat. Diesen Hype mit den Espressomaschinen, die so viel kosten wie dreimal Miete zahlen, habe ich ohnehin nie verstanden – nicht, dass ich nicht auch einen mit aufgeschäumter Milch nehme, wenn ich einen angeboten bekomme, schließlich wollen diese EspressomaschinenbesitzerInnen ihre teure Anschaffung ja auch irgendwie rentiert sehen. Aber wenn ich schon an das Milchdüsensaubermachen denke, igitt. Das sollen schön die Modedesign-Schülerinnen machen, die in den Cafés arbeiten. Mir hat das auch nicht geschadet. In dem Bar- und Küchenladen gab es des Weiteren kleine silberne Butterformer, vielleicht für Menschen, in deren Minikühlschränken nur Platz für eine einzige kleine Butterkugel ist? Außerdem natürlich teure Topflappen, und der Himmel soll mir jetzt sofort hier auf den Kopf fallen, wenn ich je Geld für Topflappen ausgebe, nicht dass ich die selber häkeln würde, aber gehören Topflappen nicht definitiv zu den Dingen, von denen man im Leben nur zwei braucht, und die hat man mitgenommen, als man von zu Hause ausgezogen ist, und das war okay, weil im Elternhaushalt mindestens sieben vorhanden waren, denn damals wurden Topflappen wirklich noch alle naselang selbst gehäkelt und verschenkt. Aber vielleicht haben sich die Zeiten geändert. Dann gab es in dem Geschäft noch kleine, sündhaft teure Spieße, mit denen man die Olive in den Martini halten kann, wenn man keine Zahnstocher zur Hand hat. Pah, kann ich da nur sagen. Genug davon.
Vor zwei Wochen habe ich erwähnt, dass ich einen alten Grundschulfreund verloren habe und ihn weder im Internet noch in der echten Welt wiederfinden kann. Daraufhin habe ich gleich zwei, wenn auch mysteriöse Hinweise bekommen, der eine belehrte mich etwas herablassend, dass man bei der Suche nach einem Namen diesen doch einfach anders schreiben solle, um Ergebnisse zu bekommen – das finde ich aber mutig! Gesetzt den Fall, ich sei mit Drew Barrymore zur Grundschule gegangen und würde sie jetzt suchen – ich überlasse es jedem selbst, „Dru Barrymore“ zu googeln.
Jener Grundschulfreund sei jedoch angeblich 1. Richtung Hamburg und 2. Richtung Sozialarbeiter gegangen, und damit könnte man ja schon mal arbeiten. Wenn ich je so reich wäre, dass ich mein Geld für 20-Euro- Topflappen und Olivenpiekser aus Platin rausschmeißen könnte, werde ich dafür lieber einen Privatdetektiv beauftragen, der sämtliche Sozialstationen in Hamburg für mich beobachtet, in denen jugendliche Drogenabhängige ihre Substitutionsprogramme beziehen und sich mit Alcopops über die Entzugserscheinungen trösten. Irgendwann wird sich dieser Sascha Gotza schon wiederfinden. Als Street Worker, selbstredend.
Fotohinweis: JENNI ZYLKA PEST & CHOLERA Fragen zu Alkohol? kolumne@taz.de MORGEN: B. Bollwahn über ROTKÄPPCHEN