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Archiv-Artikel

JEDER EIN BIER Perfektes Dinner

Dit könntste in ner richtijen Gastronomie gar nicht machen

Wenn ich ganz heftigen Hunger habe und zuhause nichts mehr da ist, gehe ich zu dem billigen Pizzaladen im Haus nebenan. Heute auch. Es ist das einzige Mal, dass ich mich an diesem Tag aus dem Haus bewege. Ich bestelle eine Pizza und setze mich auf einen Barhocker und blättere durch die Bild-Zeitung. Mache ich immer, wenn ich dort bin. Außer mir sind vier Männer in dem Laden, sie sitzen jeweils zu zweit an zwei Tischen und gucken auf den Bildschirm überm Tresen.

Jeder der Männer hat eine Flasche Bier vor sich. Auf dem Bildschirm läuft Vox: „Das perfekte Dinner“. Eine Jessica aus Saarbrücken kocht für eine Gruppe Gäste ein Drei-Gänge-Menü. Die Männer im Pizzaladen gucken zu. Einer sagt: „Na die guckt aber böse beim Kochen!“ Die Frau erklärt das Menü. Es gibt als Vorspeise eine „Liaison von Muschel, Kalb und Ziege“, dann zum Hauptgang ein „Rendezvous vom wilden Huhn, Erdäpfeln und den Herren des Waldes“ und zum Dessert ein „Tête-à-Tête von Winternuss und heißem Viez“.

„Tettatett!“, ruft der eine Mann aus, „ist doch albern.“ Die Frau in der Fernsehküche rührt das bereits vorgeschnittene Wurzelgemüse in einen Topf. Daraus soll eine Muschelsuppe werden, und dazu gibt es Kalbs-Ziegenkäse-Terrine. „Und dit allet als Vorspeise“, sagt einer der Männer, „viel zu kompliziert!“ Die anderen drei nicken. „Kompliziert“, grummelt einer nach.

Während die Suppe kocht, legt die Frau die Kalbs-Ziegenkäse-Terrine, die aussieht wie Tiramisu, in schmalen Stücken auf längliche Teller. „Dit könntste in ner richtijen, professionellen Gastronomie gar nicht machen“, sagt einer der Männer. „Dit is zu aufwendig, viel zu aufwendig!“ Die Muschelsuppe ist fertig und wird in Schälchen gegossen. „Dit Schlimmste“, sagt der vierte Mann, der bisher nichts gesagt hat, „dit Allerschlimmste ist, du hast drei Stunden in der Küche gestanden, und dann schmeckt’s scheiße!“ MARGARETE STOKOWSKI