Italiens Staatsoberhaupt: Napolitano will weitermachen
Ruhestand sieht anders aus: Weil auch im Wahlversuch Nr. 5 kein Nachfolger ermittelt werden konnte, erklärt sich der 87-jährige Präsident zu einer zweiten Amtszeit bereit.
ROM dpa/rtr/afp | Italiens Präsident Giorgio Napolitano macht weiter und hilft dem Land damit ein Stück weit aus der Krise. Nach fünf gescheiterten Anläufen zur Wahl eines neuen Staatsoberhauptes erklärte sich der 87-jährige ehemalige Kommunist am Samstag überraschend zu einer zweiten Amtszeit bereit. Er wollte sich noch im Laufe des Tages zur Wahl stellen. Damit dürfte auch der Weg freigemacht werden zur Neuwahl des Parlaments noch im Frühsommer.
Die vorgezogene Parlamentswahl Ende Februar hatte zu einem Patt zwischen Abgeordnetenhaus und Senat geführt, die in der Gesetzgebung gleichberechtigt sind. Mehrere Versuche, dem kriselnden EU-Gründungsmitglied zu einer regierungsfähigen Mehrheit zu verhelfen, waren gescheitert.
"Ich kann mich meiner Verantwortung für die Nation nicht entziehen", begründete Napolitano seine Bereitschaft für eine zweite Amtszeit von nominell sieben Jahren. Zur Wiederwahl benötigt er 504 Stimmen der 1007 Wählfrauen und -männer.
Fünf-Sterne Mann im fünften Versuch
Auch in der fünften Runde der Präsidentschaftswahl in Italien hatte sich die Wahlversammlung am Samstagvormittag auf keinen neuen Staatschef einigen können. Insgesamt 462 Mitglieder des Gremiums aus Abgeordneten, Senatoren und Vertretern der Regionen blieben der Abstimmung gleich ganz fern oder gaben leere Stimmzettel ab. Der von der Protestbewegung Fünf Sterne des früheren Komikers Beppe Grillo ins Rennen geschickte Kandidat Stefano Rodotà, ein Verfassungsrechtler, erhielt letztlich nur 210 Stimmen.
Sowohl der PD-Vorsitzende und Chef des Mitte-Links-Bündnisses, Pierluigi Bersani, als auch der Chef der rechtskonservativen Partei Volk der Freiheit (PdL) und Ex-Premier Silvio Berlusconi hatten ihren Anhängern empfohlen, sich im fünften Wahlgang zu enthalten.
Bersani kündigt Rücktritt an
Schon am Freitagabend hatte Pier Luigi Bersani seinen Rücktritt angekündigt. Damit übernahm er die Verantwortung für die bisherigen Fehlschläge, einen Nachfolger für Napolitano zu finden. Das Bündnis der linken Mitte um die sozialdemokratisch orientierte PD hatte zunächst den früheren Senatspräsidenten Franco Marini und dann den ehemaligen Regierungschef Romano Prodi ins Rennen geschickt.
Prodi erhielt im vierten Durchgang, bei dem nur noch die absolute Mehrheit erforderlich war, nur 395 Stimmen, obwohl das linke Lager auf 496 Mandate kommt. Prodi erklärte daraufhin seinen Verzicht auf eine weitere Kandidatur. Das Rechtsbündnis um Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte die Abstimmung boykottiert. Sie warf Bersani vor, mit Prodi einen nicht akzeptablen Kandidaten präsentiert zu haben.
Bersani, der bei der Parlamentswahl im Februar schlechter als erwartet abgeschnitten hatte, will nun nach der Wahl eines Nachfolgers von Napolitano zurücktreten. Das könnte seinem Erzrivalen Matteo Renzi den Weg an die Spitze der PD ebnen. Der 38-jährige Bürgermeister aus Florenz gilt als einer der populärsten Politiker Italiens, dem auch ein relativ entspanntes Verhältnis zu Berlusconi nachgesagt wird. Das linke und das rechte Lager sind im Parlament etwa gleichstark. Die Protestbewegung Fünf Sterne des früheren Komikers Beppe Grillo liegt knapp hinter ihnen.
Das italienische Staatsoberhaupt hat hauptsächlich repräsentative Aufgaben, spielt aber in Krisenzeiten wie jetzt eine wichtige Rolle bei der Regierungsbildung. Napolitano war es zum Ende seiner Amtszeit nicht gelungen, das parlamentarische Patt in eine regierungsfähige Mehrheit umzuwandeln. Als Ausweg gelten Neuwahlen, die der scheidende Präsident aber nicht mehr ausschreiben darf. Die Parteien sind daher bei der Wahl des Staatsoberhaupts zum Konsens gezwungen.
Giorgio Napolitano empfing am Samstag neben Bersani, unter anderen auch den konservativen ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.
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