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■ Italiens Regierung ist faktisch gescheitertZu schwach zum Stürzen

Es hat schon fast etwas Verzweifeltes, wie der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi seinen Vielfrontenkrieg führt. Schneller als jeder andere Regierungschef ist er an nahezu alle Grenzen seiner Kunst gestoßen. Seine Sonderdekrete erwiesen sich allesamt entweder – wie das zur Freilassung inkriminierter Politiker und Manager – als politische Totalpleite, oder – wie das zur Verwaltungsreform – als undurchführbar. Und trotz hunderterlei Versicherungen über den Aufschwung will dieser nicht kommen; die gesunkene Inflation sehen selbst wohlwollende Berlusconianer nicht als Verdienst ihres Patrons, sondern als Frucht der anhaltenden Rezession, die die Geldbeutel nachhaltig leert. Dazu kommt die sich immer mehr verdichtende Verwickelung in Schmiergeldskandale. Eine Situation, in der eigentlich jeder normale Bürger den Rücktritt der Regierung erwartet. Und in der Tat ist schwer vorstellbar, daß diese noch weit in den Herbst hinein walten kann.

Warum der Ruf nach Demission jedoch faktisch nirgendwo zu hören ist, liegt nicht nur daran, daß es angesichts der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse im Parlament keine andere handlungsfähige Konstellation gibt. Es ist auch offensichtlich, daß weder eine Partei noch eine Persönlichkeit existiert, um die sich eine Alternative kristallisieren könnte.

Bis vor drei Wochen war Berlusconis schrecklichste Drohung just die mit Neuwahlen – doch inzwischen kann auch er nach all dem Bürgerunmut nur noch verlieren und wird sich diesen Weg sehr wohl überlegen.

Eine vertrackte Situation, kein Zweifel: Eine Regierung, die zu schwach ist zum Sturz, und eine Opposition, die zu schwach ist, wirkliche Gegenpolitik zu betreiben. Immerhin: auch viele, die die Parteien der derzeitigen Regierung gewählt haben, sind sich inzwischen bewußt, daß Berlusconi nicht der Wunderheiler ist, von dem sie geträumt haben.

Was nicht heißt, daß der Ruf nach dem starken Mann verstummt ist. Solange freilich die demokratischen Institutionen nicht funktionieren, wird er auch nicht verstummen. Die Gefahr Berlusconi ist vielleicht schon gebannt; die einer Diktatur nicht. Werner Raith, Rom

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