: Italiens Obersponti läßt sich verhaften
■ Professor Antonio Negri (64), wegen „bewaffneter Bandenbildung“ verurteilt, kehrt aus dem Exil zurück
Rom (taz) – Nach 14 Jahren im Exil in Frankreich ist gestern nachmittag der ehemalige Chef der linksradikalen Studenten- und Arbeiterorganisation Autonomia operaia, Antonio Negri, im Alter von 64 Jahren nach Italien zurückgekommen. Er wurde sofort festgenommen. Von den insgesamt 13 Jahren Gefängnis, zu denen er in verschiedenen Prozessen verurteilt wurde, muß er noch knapp vier Jahre absitzen. Der Rest ist wegen Verjährung oder Teilamnestien erlassen. Negri wurde bei seiner Ankunft auf dem Flughafen Rom-Fiumicino bereits von einem Häftlingswagen der Polizei erwartet.
Antonio Negri, seit 1967 Professor an der Universität seiner Heimatstadt Padua, war am 7. April 1979 zusammen mit mehreren hundert Anhängern seiner Organisation wegen Terrorismusverdachts festgenommen worden.
Obwohl der Hauptvorwurf, er sei der Drahtzieher der Entführung und Ermordung des mehrmaligen Ministerpräsidenten Aldo Moro gewesen, schon bald in sich zusammenbrach, blieb „Toni“ Negri im Gefängnis – bis er 1983 entlassen werden mußte, weil er mit ansehnlicher Mehrheit auf der Liste der Radikalen Partei ins Parlament gewählt wurde. Als die Abgeordnetenversammlung jedoch seine Immunität wieder aufhob, entzog sich Negri der Verhaftung durch Flucht nach Frankreich. Dort fand er Schutz beim Justizminister der damals regierenden Sozialisten.
In Abwesenheit wurde Negri anschließend wegen bewaffneter Bandenbildung und Bildung krimineller Vereinigungen von verschiedenen Gerichten verurteilt. Die Autonomia operaia hat seither keine Bedeutung mehr im linksradikalen außerparlamentarischen Spektrum in Italien.
Als seinen Beweggrund für die freiwillige Rückkehr gibt Toni Negri – der sich selbst als „Subversiver ohne Reue“ bezeichnet – an, er wolle sich „als Besiegter erstens der Strafe stellen und zweitens aus dem Gefängnis heraus eine große Kampagne für eine Generalamnestie für alle politischen Straftaten der 60er und 70er Jahre beginnen“.
Möglicherweise wird er dabei nach vielen Jahren wieder auf einen seiner früheren politischen Hauptkonkurrenten treffen: auf Adriano Sofri, den früheren Chef von Lotta continua. Sofri wurde Anfang des Jahres in einem sehr umstrittenen Gerichtsverfahrern wegen Anstiftung zum Mord an einem Polizeikommissar zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt.
Sofri und zwei weitere Mithäftlinge befinden sich seit zwei Wochen in einem Hungerstreik. Sie wollen auf diese Weise die Öffentlichkeit für eine Amnestie politischer Straftäter aufrütteln.
Die Zeichen stehen derzeit günstig für solche Amnestiepläne. Auch der frühere Staatschef Francesco Cossiga, zur Zeit der Moro-Entführung Innenminister, und zahlreiche Parlamentarier wollen einen Schlußstrich unter die sogenannten „bleiernen Jahre“ des Terrorismus setzen. Sie haben bereits mehrere Initiativen zur vorzeitigen Beendigung der Haftzeit der noch immer gut hundert einsitzenden ehemaligen Mitglieder terroristischer Vereinigungen, aber auch anderer radikaler Gruppen von links wie rechts ausgearbeitet. Werner Raith
Porträt Seite 11
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