■ Italienisches Gericht schützt die Privatsphäre: Schmerzensgeld für nackten Busen
Rom (taz) – Na, wer sagt's denn: es müssen nicht immer nur trostlose oder abstruse Nachrichten sein, die aus dem Land der Zitronen kommen; aus dem Süden ist durchaus auch mal etwas Erfreuliches zu hören. Mit einem sensationellen und völlig unerwarteten Urteil hat ein Mailänder Gericht der beliebten Fernsehmoderatorin Lilli Gruber („Rote Lilli“ nicht nur wegen ihrer Haarfarbe, sondern auch ihrer politischen Neigungen wegen) ein Schmerzensgeld, wegen Ablichtung und Veröffentlichung ihrer nackten Brust, von umgerechnet einer Viertelmillion Mark zugesprochen.
Im Sommer vor zwei Jahren hatten einige der gefürchteten Paparazzi mit hängender Zunge und langbrennweitigen Objektiven Frau Gruber im Garten einer Ferienvilla ihrer Eltern fotografiert, während sie sich topless sonnte, und die Aufnahmen dann in den Regenbogenillustrierten Novella 2000 und Oggit veröffentlicht.
Lilli Gruber reagierte prompt und heftig. Sie zog, durchaus „nicht aus Prüderie, sondern der prinzipiellen Frage eines Schutzes der Privatsphäre wegen“ vor Gericht und hat damit möglicherweise Pressegeschichte geschrieben – vielleicht nicht nur für Italien. Erstmals hat ein italienisches Gericht ein Feld der italienischen Demokratie eingeschränkt, das bisher nahezu unbestritten als eine Art Niemandsland galt: die Veröffentlichung aller Indiskretionen und Bloßstellungen, deren man irgendwie habhaft werden kann. Einengungen hatte es dabei bisher nur gegeben, wenn damit ein Staatsgeheimnis berührt oder gesellschaftlich wichtige Belange unmittelbar geschädigt wurden.
„Die Privatsphäre und das Recht aufs eigene Bild“, urteilten jetzt die Richter in Mailand, „ist ein unverletzliches Gut und darf nur in höchst seltenen Fällen und bei gesellschaftlich eindeutig vordringlichen Erfordernissen reduziert werden, nicht aber für die Beförderung von Auflagen und zur Sensationsmache.“
Frau Gruber erhofft sich von dem Urteil nicht nur „auch mal etwas Ruhe vor diesen ewigen Verfolgern“, sondern „auch eine Signalwirkung für andere, weniger prominente Opfer journalistischer Ablichtmanie“. Und auch Hilfe für die Angehörigen irgendwelcher Personen, die durch Zufall oder sonstwie „interessant“ geworden sind, bis zu unschuldig Verdächtigten, die durch entsprechende Bilder oft genug für alle Zeit stigmatisiert werden, sowie für unbedarfte Randständige, die oft gar nicht wissen, zu welchen Zwecken ihre Bilder mißbraucht werden.
Höchst verständnislos zeigten sich der Fotograf und die Chefredakteure der verurteilten Blätter: Er würde es „sofort wieder tun“, erklärte trotzig der Lichtbildner Antonio Esposito gegenüber La Repubblica, und „ich finde doch an einem nackten Busen nichts Anstößiges“, murrte der Leiter von Novella 2000, Guido Carretto. „Ich weiß gar nicht, warum da manche Kollegen und das Gericht Skandal schreien.“
Ja, da fragt sich freilich auch der busenfreundlichste der Machos wiederum, warum, wenn alles doch eher banal ist, Zeitschriften wie diese dann schwindelerregende Preise – zwischen 30.000 und 50.000 Mark für „erstmalige“ Bilder sonst stets Verhüllter – bezahlen. Für einschlägige Fotos noch nicht abgelichteter VIPs sind branchenintern gar Prämien in Hunderttausenderhöhe ausgelobt: Ein Ganznacktfoto von Claudia Schiffer zum Beispiel – bisher nur im oberen Körperabschnitt nackend publiziert, und auch das widerrechtlich – brächte danach an die 150.000 Mark ein, ein Topless von Lady Diana 250.000 und, gelänge es, die Prinzgemahlin gar ganz unverhüllt zu knipsen, eine satte halbe Million. Werner Raith
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