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■ Italien: Ein ziemlich mörderisches Komplott wird unterbundenCampbells' Original Bloody Soup

Was für eine haarsträubende Bilanz! Seit die eher sizilianisch organisierte und orientierte Mafia tendenziell klein beigibt, wittert die neapolitanische Camorra ihre Chance. Statt jedoch an einem „Strang“ zu ziehen, zerfleischen sich die gut ausgebildeten Chaoten- Clans untereinander. Im ersten Drittel des Jahres 1998 waren bereits 50 intern bedingte Bandentote zu beklagen, und Anfang Mai desselben Zeitraums wurde es dann auch der Polizei zu bunt, einer Ordnungs- und Streitmacht, die oft genug heimliches Vergnügen dabei empfindet, wenn der eine oder andere Zünder unter den fettgesessenen Gesäßen der korrupten Regierungsbürokratie ihres Heimatlandes seinen Dienst tut – ja meist ähnlich wohl sich fühlt wie Otto Rehhagel, der hinsichtlich Dieter Kürtens Frage im „Aktuellen Sport-Studio“ vom 3. Mai 1998, ob dem frischgebackenen Meisterkönigstrainer denn nun feierlich zumute sei, da er seinem früheren Arbeitgeber und allen voran dem fiesen merowingitischen Männerbündler Franz Beckenbauer die Grenzen des Mißerfolgs deutlich aufgezeigt habe, bekannte: „Nun, eine klammheimliche Freude kann ich nicht verbergen.“

Nicht mehr alle an der Waffel und einen gerüttelten Rappel im Karton müssen indes zwei sonst harmonierende und gegenüber der Sizilien-Connection vereint agierende Camorra-Familien haben. Wie oben angedeutet, griffen die Uniformierten Anfang 98 ein und zu und verhafteten 24 Camorra- Mafiosi, zum Beispiel Carmine Sarno und den Boß Antonio de Luca Bossa. Auf dem Plan stand eine Vendetta. Glücklicherweise lauschte der Sicherheitsdienst und vereitelte „verabredete Mordanschläge“, die unter dem Motto „Wir müssen sie umbringen – alle!“ hatten laufen sollen. Live aus den Abhörprotokollen:

Sarno: Wir jagen sie in die Luft, ganz einfach. Die Fickfrösche kriegen, was sie verdienen. Wir machen uns keinen Finger schmutzig und höchstens mal einen so krumm wie nötig. Eine saubere Sache, keine krumme, claro! Wir werfen die Bomben vor ihr Haus, da erwarten wir sie. Wenn sie dann rauskommen, machen wir sie mit den Kalaschnikows fertig. Wir können sie alle fünf auf einmal fertigmachen. Ein sauberer Schnitt.

Salvatore, Sarnos Sicherheitschef: Und ihre Bodyguards?

Sarno: Schluß jetzt! Wir müssen sie umbringen. Alle! Ich will mir den Kopf der Mutter meines Gegners an die Wand nageln. Und täglich drauf spucken. Sind wir soweit? Ist alles bereit? Die Granatwerfer, sind sie geprüft? Zertifikat okay? Ist das Dynamit angekommen? Wie viele Kalaschnikows haben wir? Und wieviel Dynamitstangen?

Salvatore: Sei bloß vorsichtig mit dem Dynamit.

Sarno: Wir müssen die Stangen unter ihre Autos legen, so daß von ihnen nur eine blutige Suppe bleibt. Wir gehen so vor: Sobald der Wagen von Secco, dem Sohn einer alten Hure, vorfährt, umzingelt ihr ihn mit vier Autos und einem kleinen Lkw. Zuerst werft ihr die kleinen Handgranaten zielsicher, dann schießt mit den Kalaschnikows, volle Pulle. Und Tempo, Tempo! Das wird die Kinderficker ablenken, aber wenig nützen, der Wagen ist gepanzert, hart und undurchdringlich wie getrocknete Seccoscheiße, klumpig und zäh wie sein verdorrtes Hirn. Dann legt ihr aber einfach die Dynamitkerzen kurz unters Auto. Wir brauchen sieben oder acht Dynamitstangen, zusammengebunden.

Salvatore: Unsinn, höchstens drei oder vier, das Zeug zerlegt einen ganzen Berg.

Ein unbekannter Mafiosi: Dann können die im Auto „Arrivederci bella Napoli“ singen.

Sarno: Schnauze. Danach, das ist ganz wichtig, müßt ihr euch sofort im Stadtviertel zeigen. Sie sollen euch sehen. Geht spazieren, geht in die Bars, zeigt euch den Leuten. Keiner wird euch verdächtigen, keiner glauben, daß ihr dahintersteckt.

Hinterhalt, Bomben, blutige Sauereien, so tun, als sei nichts gewesen: eine Kette grober Unsportlichkeiten. Die Presse (Bild, 4. Mai 1998) was not amused. Während sich Kaiserslauterns sportlicher Leiter King Otto im Falle der Durchführung der assassinischen Übung zufrieden grienend und vielwissend schmunzelnd übers naturschwarze Mafiosohaar gestrichen und innerlichst lichterloh lodernde Freude empfunden hätte – wie dazumal, als er noch an der Weser die Strippen zog, und während einer seiner paramilitärisch strukturierten Trainingseinheiten die Auszubildenden instruierte: „Ihr geht wie die Musiker eines philharmonischen Orchesters auf den Platz, mit dem Geigenkasten in der Hand. Und wenn sich der Gegner dann sicher fühlt, holen wir aus dem Geigenkasten die Maschinenpistole und rattattatatattatta. Wie in Chicago 1930!“

Apropos: Der „Berg“ ging zwei Tage später dennoch „ab“ – in Sarno, südlich von bella Napoli. Einer der wenigen Überlebenden hieß: Roberto Robustelli. Jürgen Roth

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