: Ist die DDR bereit zur Wiedergutmachung?
■ Die DDR hat in Washington Gespräche über eine Wiedergutmachung für die jüdischen Opfer des Nazi-Regimes aufgenommen / Israel reagiert zurückhaltend / Nur ein Bonbon für die USA? / Problem: Wer ist der „Rechtsnachfolger“ von Nazi-Deutschland
Berlin(ap/taz) – In den Beziehungen zwischen Israel und der DDR scheinen sich neue Horizonte aufzutun: Eine DDR-Delegation erörtert derzeit in Washington mit jüdischen Gruppen die Möglichkeiten von Entschädigungen für jüdische NS-Opfer seitens der DDR. Elan Steinberg vom Jüdischen Weltkongreß teilte mit, Einzelheiten über die Entschädigungsbeträge und die entsprechenden Abmachungen seien noch nicht ausgehandelt. Beide Seiten haben auch über die Gespräche Geheimhaltung verein bart.Unter Konrad Adenauer war 1952 das Luxemburger Abkommen abgeschlossen worden, in dem nur die BRD dem Staat Israel gegenüber die Pflicht zu Entschädigungsleistungen anerkannte. Die DDR hatte eine Unterzeichnung des Abkommens seinerzeit mit der Begründung abgelehnt, die DDR sei kein Nachfolgestaat des 3. Reichs (im Gegensatz zur BRD) und insofern für diese Art der Vergangenheitsbewältigung nicht zuständig. Für DDR-Bürger gibt es allerdings eine Ehrenrente für „Anerkannte Kämpfer gegen den Faschismus bzw. Verfolgte des Faschismus“. Ob die nun angestrebten Zahlungen an im Ausland lebende Einzelpersonen geleistet werden oder ob der Staat Israel kassiert, war zunächst nicht zu erfahren.
Das Verhältnis zwischen der DDR und Israel ist traditionell kühl. Noch im Mai letzten Jahres hatte der israelische Staatspräsident Chaim Herzog scharfe Kritik an der Haltung der DDR zur Wiedergutmachung gegenüber den Juden geübt. Das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ hatte dagegen gewettert: „Herr Staatspräsident, Sie hätten besser geschwiegen“ und klargelegt, die DDR, ihre Politik und Moral seien „Antifaschismus der Tat“. Zwischen beiden Staaten bestehen keine diplomatischen Beziehungen.
Stimmen aus der Jüdischen Gemeinde in der BRD und Osteuropa-Experten äußerten sich am Dienstag skeptisch bezüglich der Bereitschaft der DDR, ihr Geschichtsverständnis neu zu definieren. Sie werteten die Gespräche als einen Versuch der DDR, sich mittels einer Good-will-Geste gegenüber Israel aus der Isolation der Ostblockstaaten zu befreien und auf den Westen zuzubewegen.
Auch die Reaktion der israelischen Regierung war ausgesprochen zurückhaltend: In einer Stellungnahme vom Montag abend hieß es, die Gespräche der DDR seien ein Versuch, bessere Beziehungen mit den USA aufzubauen. Diese neue Tendenz bedeute noch nicht, daß sich deshalb die Beziehungen zwischen der DDR und Israel verbessern würden. –ant-
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