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Ist der US–Journalist Glass in die Hamadei–Affäre verwickelt?

Am 21. Juni dieses Jahres soll der US–amerikanische Journalist Charles Glass, der im Auftrag des US–Networks ABC mehrere Jahre im Libanon arbeitete, nach Bonn fliegen wegen Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Flugzeugentführer Ali Hamadei. Charles Glass hielt sich im Sommer 1985 im Westen der libanesischen Hauptstadt Beirut auf, als die Verkehrsmaschine der TWA nach Beirut entführt wurde. Charles Glass sprach mit den Entführern. Zwei Jahre später sitzt Mohammed die Freilassung Hamadeis im Tausch gegen die Freilassung der beiden Deutschen fordern. Charles Glass soll von der deutschen Botschaft kontaktiert worden sein und zu Ermittlungszwecken in der Affäre Hamadei nach Deutschland fliegen. Vier Tage vor seiner Abreise wird Charles Glass am hellichten Tag und nur knapp 500 Meter vom nächsten syrischen Checkpoint entfernt auf einer Ausfallstraße in den südlichen Vororten Beiruts gekidnappt. Obwohl bald in der libanesischen Hauptstadt ein Video auftaucht, auf dem sich Charles Glass selbst der Arbeit für den CIA bezichtigt, bleiben doch Zweifel, ob seine Geiselnahme nicht mit der Hamadei–Affäre und seiner möglichen Zeugenrolle gegen Ali Hamadei zusammenhängt. Syriens Präsident Assad soll sich persönlich für Charles Glass eingesetzt haben und den betroffenen Gruppierungen im Libanon harte Konsequenzen angedroht haben, falls Glass nicht baldigst wieder auftaucht. Die Verhandlungen um die Freilassung der beiden Deutschen laufen indes sowohl über Damaskus als auch über Teheran. In der Nacht des 17. August verschlafen dann - so die Version des US– Journalisten - seine Aufpasser, Charles Glass kann aus dem Stadtteil Bir–el–Arbed entkommen, wird von den syrischen „Sicherheitstruppen“ nach Damaskus geschafft, und die Welt hat eine neue Heldengeschichte. In der libanesischen Hauptstadt mag aber niemand an die „Flucht“ der Geisel glauben. Wie sollten die Wächter eine so wichtige Geisel wie Charles Glass nicht gründlich bewachen? Und wie sollte Glass es darüber hinaus geschafft haben, halb Westbeirut zu durchqueren, zumal mitten in der ohnehin verdächtigen Dunkelheit, ohne auch nur an einer einzigen Kontrollstelle der syrischen Armee aufgehalten worden zu sein, die doch gerade sämtliche Zufahrtsstraßen zu den südlichen Vororten besonders scharf bewachen, um die Aktivitäten der Hizbollah zu behindern? Bleibt die Frage offen, was in aller Welt die Geiselnehmer veranlaßt hat, Glass fliehen zu lassen. Sollte vielleicht kein Grund mehr bestehen für die Befürchtung, die Aussage des US–Journalisten könne dem jungen Mohammed Ali Hamadei schaden? Sollte dessen glückliche Zukunft bereits ausgehandelt worden sein?

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