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Ist Deutschland zu nett zur Schweiz?„Eingebildete Kanonenboote“

Wolfgang Schäuble will mehr Tempo in den Verhandlungen mit der Schweiz, ein Schweizer Publizist sieht sein Land zu Unrecht attackiert.

Kanonenboote in Sicht? Bild: AP

BERLIN taz | Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mahnt bei den Verhandlung über ein Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz zur Eile. Ohne das Abkommen würden weiterhin jedes Jahr deutsche Steuerforderungen in großem Umfang verjähren, schreibt Schäuble in einem Gastbeitrag für die sonntaz.

Natürlich habe jeder seine Interessen. „Wir wollen unbedingt unsere berechtigten Steuerinteressen durchgesetzt sehen“, schreibt Schäuble. Unterschiedliche Auffassungen gelte es jedoch im Dialog zu lösen nicht mit Drohgebärden.

Weiter umstritten ist der Ankauf von Daten-CDs durch deutsche Behörden. Der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) befürwortet den Kauf. Der deutsche Rechtsstaat dürfe die CDs verwenden – und müsse es auch, um sein Recht durchzusetzen. Die angekauften CDs würden beweisen, dass in der Schweiz massenhaft Schwarzgeld lagere, auch aus Deutschland.

Es sei ein Geschäftsmodell der Schweiz und der meisten ihrer Banken, solches Geld anzulocken, es vor dem zuständigen Steuerfiskus zu verstecken und sich den so ermöglichten Gewinn mit den Steuerflüchtlingen zu teilen. „Das ist Hehlerei“, schreibt Eichel in seinem Beitrag für die sonntaz.

„Knüppelhart und hässlich“

Bild: taz

Den kompletten Streit der Woche und viele andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 21./22. Juli 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Der Generalsekretär der FDP, Patrick Döring, widerspricht Eichel. Wenn Deutschland „endlich wieder knüppelhart und hässlich“ sein wolle, dann käme man „als Datendealer gut voran“. Döring fordert, Rot-Grün dürfe den Weg zum Steuerabkommen mit der Schweiz nicht länger verhindern. „Dann bekommen wir Rechtssicherheit und unser Geld zurück, jedenfalls ein paar Milliarden - mehr als nichts“, schreibt Döring in seinem Gastbeitrag für die sonntaz.

Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, sagt Deutschland sei „vor allem zu nett zu den Schweizer Banken“. Diese entwickelten Schwarzgeld-Depots, Steuerhinterziehung und oft auch Geldwäsche zu einem florierenden Geschäftsmodell. Das geplante Steuerabkommen löse die Probleme nicht, sondern verdecke sie: „Das dubiose Bankgeheimnis bleibt bestehen“.

Auch der Schweizer taz-Leser André Grossen kommentiert den Steuerstreit der beiden Länder: „Schweiz-intern ist Steuergerechtigkeit ein Fremdwort“. Vor der Finanzkrise sei das „Bankgeheimnis eine heilige Kuh“ gewesen. Doch auch jetzt versuche man „die größtmöglichen Schlupflöcher offen zu halten“

Die Schweiz: eine „Sehnsuchtsinsel der Freiheit“

Die Schweizer Politikerin Anita Fetz sieht im Steuerabkommen eine erste pragmatische Möglichkeit „dem deutschen Fiskus entzogene Gelder zurück zu erstatten“.

Roger Köppel wiederum, Chefredaktor des Schweizer Magazins Weltwoche, beschreibt die Schweiz als „eine Sehnsuchtsinsel der Freiheit“, die nun von Politikern aus Berlin und Brüssel „mit Geisterkavallerien und eingebildeten Kanonenbooten“ bedroht werde.

Die sonntaz-Frage „Ist Deutschland zu nett zur Schweiz?“ diskutiert außerdem taz.de-Leser Michael Sassnink, ehemaliger Betriebswirt – in der sonntaz vom 21./22. Juli. Die sonntaz gibt es auch im Wochenendabo.

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11 Kommentare

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  • MA
    Monsieur Achie

    @Michael Meierhofer:ich bin öfter in der italienischen Schweiz. Genaue gesagt in der Stadt Lugano. Man sieht in der gegend, wie arm die Menschen hier vergleich Deutsche Schweiz. Das liegt nur daran, weil in der italienischen Schweiz fehlen die Banken. Mit anderen Worten fehlen schwarz Gelder. Sie würden nicht behaupten, dass die schweizer aus der italienischen Schweiz fauler sind als aus der deutschen Schweiz. Die Zahl 90% ist erfundene Zahl. ich würde sogar behaupten genau umgekehrt. Deshalb hat Otto Suhr vollkommen recht.

  • C
    credo

    na wenn ich die möglichkeit hätte geld auf die seite zu schaffen würde ich es wohl machen, wie so viele hier. aber aus mangel an möglichkeit keile ich lieber auch der schweiz zwischen die beine, gebt uns davos, los ! nazigold, diktatorengold ... HER DAMIT.

    ...glaubt ihr wirklich an diese ammenmärchen? die 10000 kleinen schreiner bringen deutlich mehr kohle.

    aber ganz ehrlich mädels, man sollte nicht fragen warum die schweizer das zulassen, sondern warum "wir" das machen. obrigkeitsflucht, schäfchen trocknen und so, oder ist es der leise protest? oder einfach nur gier? ich persönlich glaube daß es um dicke haarige eier geht. verschwiegen erzählen zu können, "also in genf der bankangestellte war echt voll die laus ... " ohne erzählen zu müssen wieviele schäfchen man grad im trockner hat. fasst euch selber an die nase. schonmal steuertricks verwendet? schonmal lohnsteuerjahresausgleich gemacht? für wieviel? 300 euro zurückbekommen? die schweiz soll machen, weiterhin machen was sie will. Die aufgabe unserer politiker wäre, zu erklären warum es sinnvoll ist steuern zu zahlen. bildung und so. und vllt. können sie auch erklären warum einige keine steuern zahlen ( schaffen die niemals), schluß und punkt: steuern zahlen ist wichtig, was die schweiz macht ist nicht unser problem. warum die schweiz unser geld hat ist schon eher unser problem, aber da ist die schweiz leider auch nicht schuld dran.

    ach ja was ich vergessen habe. bei nem rettungsschirm der was weiß wieviele tausend euro genau beherbergt, über 2 zusätzliche milliarden zu weinen, poahh, is schon n bissl... na zynisch, oder?

     

    und ganz ehrlich dass schwarzgeldschäuble sich so aus dem fenster lehnt (niedriges fenster) ... da jungs, genau da, fängt bei mir der hals an zu schwellen. die cdu und kohl und ach, die heuchler... pack, alles pack.

  • H
    Humbug

    Solche Weicheier wie Schäuble braucht die Schweiz um weiterhin mit krimineller Energie an anderer Leute Geld zu kommen. Der Ami hat der Schweiz,da schon, ein Riegelchen vorgeschoben.Wer solche Politik wie Schäuble macht, der animiert gerade den unehrlichen Steuerzahler sein Geld in der Schweiz zu bunkern, weil er hier mehr Steuern bezahlen muss. Es werden wohl wenige ihr Geld auf die Kaimans oder die Bahamas bringen, weil man da nicht sicher sein kann, ob man von dem Angelegten überhaupt was zurückbekommt.

  • SM
    sepp moser

    ja ja, kostet eben so ein krieg.. äh friedensmission.

  • LF
    L. Franke

    Schwarzgeld, meinetwegen. Ich frage mich nur, woher in dem Fall unser Wohlstand stammt, nachdem wir zweimal Europa u die Welt in Schutt und Asche gelegt haben. Vom guten deutschen Fleiss? Natürlisch!

  • F
    felix

    Der Reichtum der Schweiz fußt auf Blut. Anonyme Nummernkonten von Nazis, Konten von Diktatoren usw. deren Vermögen nach deren Sturz nicht mehr abgerufen wurden, aktive Förderung von Steuerhinterziehung. Schweizer Banken machen sich als Mittäter, zumindest als Störer schuldig. Blutiges Nazigeld war der Anfang des schweizer Wohlstands, Geld aus Steuerhinterziehungen, verstecktes Schwarzgeld, vielleicht sogar Drogengeld die Fortsetzung.

  • MM
    Michael Meierhofer

    @Otto Suhr zeigt, dass er keine Ahnung von der Schweiz hat. Der ganze Finanzplatz macht etwa 10 % des BIP aus. 90 % andere. Es gibt genug andere Branchen, die zum Schweizer Wohlstand führten. Fleiss gehört auch dazu. Auch gilt die Schweiz als innovativstes Land der Welt uvm. Lesen Sie darüber, bevor Sie irgendwas schreiben!

  • B
    Bachsau

    Darum geht es Überwachungsminister schäuble also: Abschaffung des Bankgeheimnisses.

     

    Schäuble muss weg.

  • M
    mecki

    Otto Suhr, guter Kommentar.

    Mir fällt dazu ein Slogan ein, den ich mir wohl auf riesenmaschine.de eingefangen habe: Die Schweiz - Schwarzgeld & Skitourismus.

  • RT
    reiner tiroch

    ich bin mal gespannt wann es die 1. CD zu kaufen gibt wo alle politiker drauf sind. haha.

  • OS
    Otto Suhr

    Viele Schweizer glauben, dass der Wohlstand des Landes auf Fleiss zurückzuführen sei. Unterbewusst ahnen sie allerdings, dass die armen schweizer Bauern vor 150 Jahren auch fleissig waren, es ihnen aber wenig gebracht hat. Das Steuerabkommen mit den USA war für die Schweiz ein riesiger Einschnitt, ähnliche Abkommen mit anderen Ländern müssen um jeden Preis verhindert werden. Ein Ende der Schweiz als Schwarzgeldland würde nicht nur zu Armut führen, sondern auch zu der Erkenntnis, dass der Schweizer Wohlstand nur wenig mit Fleiss und viel mit geklautem Geld zusammenhängt. Und noch schlimmer als Verlust von Reichtum ist der Verlust des Selbstbildes. Arme Schweizer.