: Israels Regierung zerstritten
■ Streit um politische Initiativen oder härteres Vorgehen / Generalstreik in besetzten Gebieten weitgehend befolgt / Goulding mit Protesten empfangen / Siedler freigelassen, die Palästinenser erschossen hatten
Jerusalem (ap/afp/dpa) - Die israelische Regierung liegt auch nach der vollzogenen Abschiebung von zunächst vier Palästinensern (s. Seite 1) im Streit. Außenminister Schimon Peres und Industrieminister Ariel Scharon bezeichneten sich auf einer Sitzung des Kernkabinetts gegenseitig als „Lügner“. Peres hatte neue politische Initiativen verlangt, auch wenn die Unruhen andauerten. Der Likud–Politiker beschuldigte Peres, er wolle „Jerusalem an Jordanien verschenken“. Der Generalstreik in den besetzten Gebieten wurde auch am Mittwoch weitgehend befolgt. Viele israelische Firmen klagen über den Mangel an Arbeitern. Über 100.000 Palästinenser fahren täglich nach Israel. Zwei israelische Siedler, die am Montag in der Westbank einen 17jährigen Palästinenser erschossen hatten, wurden nach Intervention mehrerer Regierungsmitglieder (darunter Schamir und Rabin) gegen eine Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt. Eine militärische Untersuchungskommission befand, daß sie nur aus „Notwehr“ das Feuer auf eine Gruppe eröffnet habe, die nach ihren Aussagen ihr Auto mit Steinen bewarf. Das israelische militärische Oberkommando hat den UNO– Sondergesandten Marrack Goulding als Auslöser von Unruhen bezeichnet, in die er am Mittwoch während einer Besichtigung des Flüchtlingslagers von Rafah im Gazastreifen geriet. Augenzeugen berichteten, 500 bis 1.000 Palästinenser hätten Truppen und Fernsehteams mit Steinen und Stöcken beworfen. Die Soldaten hätten mit Tränengas erwidert und in die Luft geschossen, um die Menge aufzulösen. Unterdessen gibt es nach palästinensischen Angaben drei weitere Todesopfer, darunter ein vier Monate altes Baby und ein zwölfjähriges Mädchen. Sie starben an akuter Atemnot nach einem Tränengas–Einsatz. Außerdem wurde ein Palästinenser des Flüchtlingslagers Kalandia von israelischen Grenzposten angeschossen und schwer verletzt. Der Präsident der Deutsch– Arabischen Gesellschaft und Bundesbildungsminister Jürgen Möllemann (FDP) hat am Mittwoch führende Palästinenser zu politischen Gesprächen nach Bonn eingeladen: die Ex–Bürgermeister von Hebron und Nablus, Mustafa Al–Natsha und Bassam Al–Shakaa, den Bürgermeister von Bethlehem, Ilias Freij, und den Vorsitzenden des Anwaltsverbandes Gaza, Fayez Abu Rahmah. Möllemann kritisierte gleichzeitig das Verhalten Israels in den besetzten Gebieten und bedauerte, daß die von Bonn unterstützten UNO– Entschließungen offenbar nichts bewirkt hätten.
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