Israelische Hausbesetzer im Westjordanland: Überraschende Räumung
Mit einem Großeinsatz räumten israelischen Grenzschützer ein von Siedlern besetztes Haus in Hebron. Die Siedler fühlen sich düpiert und drohen Vergeltung an.
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JERUSALEM taz Die Räumung des von jüdischen Siedlern besetzten Hauses in Hebron ging deutlich friedlicher über die Bühne als befürchtet. Kaum fünf Minuten brauchte das Sonderaufgebot von rund 600 israelischen Polizisten und Grenzschützern am Donnerstag, um die meisten der rund 250 ultra-nationalen Jugendlichen, die sich seit gut einer Woche in dem Haus verbarrikadiert hatten, der Reihe nach aus dem Haus zu zerren. Der "Rote Davidstern" meldete insgesamt 20 Verletzte mit ausnahmslos leichten Wunden. Hilfreich für die Polizisten war das Überraschungsmoment. Die Hausbesetzer hatten die Räumung nicht erwartet.
Noch am Morgen hatte Verteidigungsminister Ehud Barak mit Vertretern der jüdischen Siedler im Westjordanland versucht, einen Kompromis über das "Haus des Friedens", wie die Siedler es nennen, zu erreichen. Das Haus sollte laut eines Beschlusses des Obersten Gerichts in Jerusalem von Mitte November geräumt werden und so lange geschlossen bleiben, bis die Eigentumsverhältnisse geklärt sind. Die Siedler behaupten, das Gebäude gekauft zu haben, der palästinensische Eigentümer weist dies aber zurück.
Danny Dayan, Chef der Siedlervertretung "Jescha", macht vor allem Verteidigungsminister Ehud Barak für die Eskalation der letzten Tage verantwortlich. "Barak warf das Streichholz anstatt einfach abzuwarten, was das Gericht entscheidet." Die Siedler hatten versprochen, freiwillig das Gebäude zu räumen, wenn die endgültige Gerichtsentscheidung über die Besitzrechte gegen sie ausfällt, vorausgesetzt, sie dürfen bis dahin in dem Haus bleiben. "Sie (die Regierungsvertreter) haben uns ausgetrickst", schimpfte Dayan. "Sie hatten versprochen, dass wir am Freitag eine Antwort auf unser Angebot bekommen."
Die Situation geriet in den vergangenen Tagen zunehmend außer Kontrolle. Aufgehetzt von Rabbinern und politischen Schlüsselfiguren in Hebron drohten die Jugendlichen mit einem kompromislosen Kampf. Soldaten, die den Befehl zur Räumung verweigern würden, sollten dafür mit umgerechnet 200 Euro entlohnt werden. Am Dienstag hatte die Armee das Gebiet weitgehend abgegrenzt und zur militärischen Sperrzone erklärt. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch schon mehrere hundert Aktivisten der sogenannten Hügeljugend, junge Siedler, die sich zumeist mit Wohnmobilen illegal auf palästinensischem Land ansiedeln, in der Stadt, um gegen die Armee und die Palästinenser mobil zu machen. Die jüdischen Extremisten randalierten auf einem muslimischen Friedhof, beschmierten die Wände benachbarter Häuser und warfen Steine auf die Palästinenser. Schon vor Beginn der Räumungsaktion hatte es fast 40 Verletzte gegeben, die meisten davon Palästinenser.
Die überraschend unblutige Räumung des Hauses in Hebron dürfte jedoch nur das erste Kapitel sein. Schon gestern warnte Barak vor einer "Welle von (Siedler-)Gewalt, die sich über das gesamte Westjordanland erstrecken könnte". Seit einigen Wochen verfolgen Siedlergruppen die "Preisschild"-Strategie. Für jedes geräumte Haus müsse ein Preis eingefordert werden, sei es auf Seiten der Soldaten oder der Palästinenser.
Umgekehrt beschäftigt sich die palästinensische Führung mit dem Unmut des eigenen Volkes. Fatah-Generaldirektor Hussein al-Scheich sorgt sich nach den "schändlichen Graffiti gegen unseren Propheten Mohammed" vor einem "Flächenbrand". Dschamal Sakut von der palästinensischen Führung in Ramallah erklärte, die Autonomiebehörde unternehme alles, um den Ausbruch von Gewalt auf palästinensischer Seite zu unterbinden. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass der "Siedler-Terror gestoppt wird".
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