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Israel kritisiert US-Abrüstungspläne

■ Regierung Schamir moniert Vernachlässigung konventioneller Rüstung/ Skepsis auch in den USA

Tel Aviv/Washington — Beifall aus London, Bonn, Tokio und Kairo, Kritik aus Tel Aviv. Während die Regierungen Japans, Großbritanniens, der Bundesrepublik und Ägyptens die Abrüstungsinitiative des amerikanischen Präsidenten George Bush für den Mittleren Osten begrüßten, quittierte die israelische Regierung die Initiative mit scharfer Kritik. Der französische Staatpräsident Mitterrand hat gestern einen eigenen Abrüstungsplan für den Mittleren Osten vorgelegt, der Vorschläge zur chemischen und biologischen Abrüstung enthält.

Bush hatte sich am Mittwoch für eine Kontrolle der Massenvernichtungswaffen in der Region und langfristig für eine ABC-Waffen-freie Zone ausgesprochen, ohne jedoch Israel das Recht abzusprechen, weiterhin Atomwaffen zu besitzen. Die israelische Kritik richtet sich vor allem gegen die nach Ansicht der Schamir- Regierung mangelnde Berücksichtigung konventioneller Waffen, von denen sich das Land in erster Linie bedroht fühlt und die weiterhin in großem Umfang an arabische Staaten verkauft werden. In Tel Aviv erklärte man zwar diplomatisch, man werde die Abrüstungsinitiative studieren, doch wird hier eindeutig dem Plan von Verteidigungsminister Mosche Arens Vorrang eingeräumt, der eine Konferenz zum Lieferungsstopp konventioneller Waffen in den Mittleren Osten vorsieht.

Bush hatte sich in seiner Abrüstungsinitiative zwar für „Zurückhaltung“ bei der Lieferung konventioneller Waffen ausgesprochen, gleichzeitig plant die US-Regierung derzeit konventionelle Waffenexporte an Saudi-Arabien in Höhe von 20Milliarden Dollar. Die israelische Kritik an Bushs Abrüstungsinitiative ist Thema eines Gesprächs, zu dem sich heute US-Verteidigungsminister Cheney und Israels Ministerpräsident Schamir treffen.

Nach Ansicht des Nahost-Experten und führenden Mitarbeiters des Brookings Institut in Washington, William Quandt, profitiert Israel von Bushs Abrüstungsplänen. „Da Israel das bestehende nichtkonventionelle Arsenal behalten darf, und angesichts der Tatsache, daß kein anderes Land im Nahen Osten Nuklearwaffen besitzt, bringt die Bush-Initiative Israel einen ungeheuren Vorteil gegenüber den Nachbarstaaten.“

Was die von Bush propagierte „Zurückhaltung“ bei den Waffenlieferungen betrifft, so glaubt man in Israel selbst nicht, daß die großen Waffenlieferanten im Westen und in Ostasien bereit sein werden, auf ihre Profite zu verzichten. Israelische Experten meinen, daß die Bush-Vorschläge zumindest durch das Einfrieren des Status quo Israel die Übermacht in der Region sichern könnten. Unter solchen Umständen wäre auch denkbar, daß der politische Prozeß endlich in Gang kommt. Andererseits ist Israel weder bereit, den Vertrag gegen die Verbreitung von Atomwaffen zu unterzeichnen, noch die Entwicklung und Produktion von Boden-Boden-Raketen einzustellen oder gar die bestehenden Raketen zu vernichten. Zwar ist die Regierung Schamir für die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten, einer Prüfung und Kontrolle seitens der Internationalen Atomenergie-Behörde will man sich jedoch nicht unterstellen.

Abgesehen von diesen Hindernissen ist angesichts der gegenwärtigen Lage im Mittleren Osten kaum vorstellbar, daß Rüstungsbeschränkungsabkommen einer politischen Lösung zwischen Israel und seinen Nachbarn vorgeschaltet werden können. Die Regierung in Tel Aviv hat sich zwar bereit erklärt, daran mitzuwirken, daß der Mittlere Osten zu einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen wird. Voraussetzung sind allerdings bilaterale Abrüstungsabkommen mit jedem einzelnen Staat im Nahen Osten, die eine bilaterale Kontrolle mit einschließen. Nicht zuletzt will man in Israel Beweise seitens der USA sehen, daß das Massenvernichtungspotential im Irak tatsächlich vernichtet worden ist und nicht mehr wiederaufgebaut werden kann.

Eher skeptisch kommentierten auch Nahost-Experten in Washington die Abrüstungsinitiative des amerikanischen Präsidenten. Zwar seien die Absichten Bushs durchaus ermutigend, erklärte der Direktor der überparteilichen „Arms Control Association“, Jack Mendelsohn, doch bliebe den Waffenlieferanten, auch den USA, nach wie vor genügend Spielraum, um Rüstungsgüter in die Region zu liefern. „Die Lücken sind so groß, da paßt ein Panzer durch.“

Mit einem radikaleren Vorschlag kommentierte Andrew Pierce von der „Carnegie Endowment for International Peace“ die Bush-Pläne: „Bush sollte seine Vision in die Tat umsetzen und erst einmal ein Moratorium für US-Waffenverkäufe in die Region verhängen.“ Amos Wollin

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