: Island streitet über Banken-Haftung
FINANZKRISE Staatschef zögert mit Zustimmung zur Entschädigungsregel für ausländische Bankkunden
STOCKHOLM taz | Ein politischer Krimi spielt sich derzeit in Island ab. Nach monatelanger Debatte und mit hauchdünner Mehrheit hatte das Parlament am späten Mittwochabend das Icesave-Abkommen verabschiedet: ein Gesetz, mit dem sich der isländische Staat gegenüber Großbritannien und den Niederlanden verpflichtet, für die Einlagen der dortigen 340.000 KundInnen der zwischenzeitlich bankrottgegangenen und verstaatlichten Landsbanki zu haften. Doch am Donnerstag verweigerte Staatspräsident Ólafur Ragnar Grímsson seine zum Inkrafttreten des Gesetzes erforderliche Unterschrift.
„Ich habe zu berücksichtigen, dass eine große Zahl von Bürgern eine Petition gegen das Gesetz unterzeichnet hat“, erklärte er nach einem Treffen mit dem Regierungskabinett: „Und ich habe auch die Einwände vieler Parlamentarier während der Debatte gehört.“ Er müsse sich daher seine Unterschrift überlegen und werde sich erst mit Vertretern der Organisation treffen, welche die Petition initiiert habe. Diese haben mittlerweile 40.000 IsländerInnen unterschrieben. Das entspricht fast einem Fünftel der wahlberechtigten EinwohnerInnen des Landes. Unterzeichnet der Präsident das Gesetz nicht, findet laut Verfassung das statt, was viele IsländerInnen und auch Teile der parlamentarischen Opposition fordern: eine Volksabstimmung über das Icesave-Abkommen.
Legt man die letzten Meinungsumfragen zu diesem Thema zugrunde, könnte die mit einem Nein enden. Es geht um knapp vier Milliarden Euro, die Island an Den Haag und London, welche die Icesave-SparerInnen im Rahmen der dortigen Einlagegarantien für Bankkonten mittlerweile entschädigt haben, zahlen müsste. Viel Geld für Island – auf deutsche Verhältnisse übertragen, wären das 1.100 Milliarden Euro. Staatskasse und SteuerzahlerInnen würden diese Schulden bis 2030 belasten. Und angesichts des hohen Zinssatzes von 5,5 Prozent, den Großbritannien und die Niederlande erzwungen haben, wären das rechnerisch über 13.000 Euro pro Kopf der rund 300.000 IsländerInnen.
Doch ein Nein zu dieser Schuldenübernahme könnte für Reykjavík schwere Konsequenzen haben. Der Internationale Währungsfonds hat die Entschädigung zur Voraussetzung für die Gewährung der Kredite gemacht, die man Island zur Vermeidung eines Staatsbankrotts zahlte. Und den beantragten EU-Beitritt könnte die Nordatlantikinsel vergessen: Auf britischen und niederländischen Druck hin hat Brüssel eine eindeutige Kopplung zwischen Icesave und der Einleitung von Beitrittsverhandlungen hergestellt. REINHARD WOLFF