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Archiv-Artikel

Islamisch korrekt

Vom Okzident in den Orient (6): Blickkontakte am türkischen Strand – ein echtes kulturelles Experiment

Endlich in der Türkei angekommen! Moscheen und Muezzine überall, sogar Autobahnmoscheen sollten ab sofort zu unserem Reisealltag gehören. Für mich bedeutete die Einreise in den Orient zunächst einmal das Umstellen meiner Reisegarderobe von „Lässig campen“ auf „islamisch korrekt“, was der Araber mir zuvor, trotz Ramadan, freundlicherweise nachgesehen hatte. Zum Kopftuch ließ ich mich nicht überreden, aber schon beim Blick aus dem Fenster in der ersten Ortschaft war mir klar, dass ich in Shorts das Auto nicht verlassen werde.

Wir kauften zunächst halal (islamisch korrekt) geschlachtetes Fleisch, um es dann am Etappenziel des Tages, dem Mittelmeer, in einer großen Iftar-Zeremonie zu kochen. Als wir endlich am Strand ankamen, stürzten sich die beiden Ossis begeistert ins Wasser, obwohl die Blicke der vorbeispazierenden Türken uns signalisieren wollten, wie seltsam sie es fanden, dass die Fremdländer mit dem großen alten Auto im Winter ins Wasser mussten. Ich wollte eigentlich auch schwimmen, verzichtete aber, da alle Frauen, die ich an der Promenade sah, bedeckt bis verschleiert waren und ich mich auf dieses kulturelle Experiment nicht einlassen wollte.

Stattdessen wandte ich mich brav der Vorbereitung des Abendessens zu, und als die Sonne im Meer versank und ich die Silhouetten der Jungs im Wasser sah, seufzte ich ein wenig traurig: So also fühlt sich die Frau, die nicht schwimmen darf, weil sie Pflichten im Haus hat und Männer nicht unnötigerweise reizen darf.

Als wir den Parkplatz zum Essen wechseln wollten, weil wir ein ekliges totes Pferd am breiten Strand entdeckt hatten, dann die tolle Überraschung: Wir steckten im feuchten Sand fest und waren sogar schon eingesunken, überladen, wie wir waren! Versuche, Autos zur Hilfe zu bewegen, waren alle erfolglos, da es kurz vor Sonnenuntergang war und jeder zum Essen fuhr. Niemand hielt an. Bei uns gab’s auch erst mal Fastenbrechen, danach ist die Stimmung auch gleich viel besser.

Zwei Stunden später sah alles ganz anders aus. Wir waren das Dorfgespräch, zig Leute standen um uns und den Bus herum, und drei Autos versuchten uns abzuschleppen, was aber leider nicht funktionierte. Wir mussten warten, bis die Polizei einen Trecker mit Stahlseil aufgetrieben hatte, so lange gab es Tee und Zigaretten von den Schaulustigen, und das Abschleppen war nach erneuten zwei Stunden und mit 30 Euro an den Stahlseilbesitzer dann auch erledigt. In der Nacht noch brachen wir gen Istanbul auf. CARETTA VAN BANGO

Eine taz-Reporterin, 32, fährt mit einem alten Mercedes-508-Bus, 31 Jahre alt, und einem arabischstämmigen Kameramann, 30, Richtung Jordanien. Ein Undercover-Reisebericht vom Okzident in den Orient