piwik no script img

Archiv-Artikel

heumarkt Irrungen pflastern seinen Weg

Glosse von Wolfgang Jorzik

Der Kölner Heumarkt sollte erstmals Ende 2000 in neuem Glanz und Gewande erstrahlen. Frisch ans Werk, mochten die Bauarbeiter gedacht haben und begannen wacker die Grauwacke zu verlegen. Das ging solange gut, bis die Stadtverwaltung nochmal nachdachte und dann die Regenabflüsse und das Platzprofil geändert haben wollte. Das „Kommando Stopp“ pfiff die Bauarbeiter zurück, die unter leisem Fluchen die bereits verlegten Steinquadern wieder aufhoben. Damit nicht genug. Statiker legten ihre Stirnen kraus und grübelten, ob die Decke der unter dem Platz liegenden Tiefgarage wirklich so stabil ist, wie sie sein soll. Die Bauarbeiten ruhten. Vorsichtshalber. Bis Entwarnung kam: Die Decke wird nicht einstürzen. Leichtfertigen Umgang mit Gefahren will sich auch in Köln niemand nachsagen lassen.

Nach zwei Jahren war der Platz gepflastert und der Stadtfrieden wiederhergestellt. Doch wie so oft in Köln kam es mal wieder anders. Die Straßenbauer-Innung griff zu harscher Kritik: Billiges und verschiedenfarbiges Bauernpflaster von schlechter Qualität. Schlimmer noch: Die unebene Oberfläche sei eine wahre Stolperfalle für stöckelbeschuhte Damen. Das Bauunternehmen versprach Nachbesserung, als die Stadt mit dem Kadi drohte.

Die fluchenden Bauarbeiter flickten weiter - bis im Mai 2003 die Stadtoberen von einem Weisheitsblitz gestreift wurden: Watt nix iss, iss eben nix! Der Heumarkt muss gänzlich entpflastert und mit neuen Steinen richtig proper hergerichtet werden. Handgeschlagene Wackersteine aus Indien sollen nun alles rausreißen. Eigens importiert, um dem Platz eine einzigartige Note zu verleihen - natürlich stöckelfreundlich mit gleichmäßigen Fugen und extra auf Kölner Regen ausgerichtet. Indien musste sein, denn auf dem europäischen Markt - so hieß es - ist zu diesem Preis kein Trostpflaster zu kriegen. Doch da schrillen die Sirenen: Lohndumping und Kinderarbeit. Das attraktive Lohnniveau Indiens habe schon eine Rolle gespielt, war zu hören. Und an Kinderarbeit hatten moralisch getriebene Ratspolitiker auch schon gedacht. Für die zauberte der Importeur eine Art Umweltengel aus dem Ärmel, ein Zertifikat für artgerechten Steinabbau ohne Kinderhände.

Die Stadt Köln, mittlerweile von einer richtiggehenden Platzangst verfolgt, ging jetzt auf Nummer sicher: Zaghafte acht Quadratmeter indischen Steins wurden zur Probe verlegt und sind seit einigen Wochen im Härtetest: Die Straßenreinigung kehrte und prüfte dabei die Fugen auf ihre Fegbarkeit und wie fest Kaugummis kleben. Das Pflaster hat bestanden und wird auf dem ganzen Platz ausgebreitet. Dass die Stadt 40.000 Euro zu den indischen Steinen zuschießt, ist angesichts der Gesamtsumme für den Platz von 1,4 Millionen Euro eher ein Kleckerbetrag. Und wenn nichts dazwischen kommt, kann Mitte des Jahres der „Viktualienmarkt“ seine Buden aufbauen. Dann kann man auch mit hohen Absätzen sicher einkaufen gehen. Das ist doch das Warten wert.