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■ Irland sucht weiterhin eine neue RegierungLokalpolitik

Die politische Krise in Irland ist eine Krise der größten Partei Fianna Fáil. Diese ist 1926 aus einer Abspaltung von Sinn Féin und IRA entstanden und hat seit den dreißiger Jahren die Insel mit kurzen Unterbrechungen wie einen Familienbetrieb geleitet – Motto: „Jobs for the boys“, für die loyalen Parteimitglieder. Das Demokratieverständnis der Parteiführung ist dabei auf der Strecke geblieben. Der Noch- Premierminister Albert Reynolds nannte die letzte Koalition mit den Progressiven Demokraten (PD) ein „vorübergehendes kleines Arrangement“, das er mit unbegründeten Meineidsanschuldigungen gegen PD- Chef Des O'Malley prompt zu Fall brachte.

Genauso hat er es nun wieder gehandhabt. Seit er vor knapp zwei Jahren eine Koalition mit der Labour Party einging, stellte Reynolds den Partner ein ums andere Mal vor vollendete Tatsachen, als ob Fianna Fáil allein regieren würde. Nicht ohne Grund hatten die WählerInnen genau das verhindert. Zu oft sind die „Soldaten des Schicksals“, so die deutsche Übersetzung von Fianna Fáil, in der Vergangenheit bei Lügen, Korruption, Vertuschung und Günstlingswirtschaft ertappt worden. Reynolds brachte es dabei zu traurigem Ruhm, als er seine Beteiligung am Fleischskandal – er schanzte einem Fianna-Fáil-Geldgeber großzügige Exportkredite zu – vom Generalstaatsanwalt zur geheimen Kabinettssache erklären ließ. Im Gegenzug sollte der Staatsanwalt, ein Verwandter der Premiersgattin, mit Beförderung belohnt werden.

Das war denn auch für die duldsame Labour Party zu viel. Doch die Neuwahlen, die von vielen jetzt als Ausweg aus dem Dilemma propagiert werden, vertagen das Problem lediglich. Irische Politik ist Lokalpolitik im engsten Sinne. Fianna Fáil und die andere konservative Partei, Fine Gael, erfassen mit einem Netzwerk von Untergruppen jede Stadt und jedes kleine Dorf. So wird sich an der Parteienkonstellation im Parlament durch Wahlen kaum etwas ändern. Wenn Labour glaubt, daß Fianna Fáil aus Neuwahlen geläutert hervorgeht, so irrt sie. Wie ein roter Faden zieht sich die Verachtung für die demokratischen Institutionen durch die Parteigeschichte.

Zum Beispiel sagte Reynolds aus Angst vor einem Teil der WählerInnen vor kurzem, daß aus der versprochenen Abtreibungsgesetzgebung, die nach einem Urteil des höchsten Gerichts erforderlich ist, in dieser Legislaturperiode nichts wird. Prompt sprang der Labour-Gesundheitsminister Brendan Howlin auf und erklärte stolz, diese Entscheidung sei auf seinem Mist gewachsen. Vielleicht gehören Labour und Fianna Fáil ja doch zusammen. Die WählerInnen haben bereits die Konsequenzen gezogen: Die Beteiligung an den Nachwahlen vor vier Wochen war so niedrig wie nie zuvor. Ralf Sotscheck

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