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Irgendwo im Vergangenen

■ Mit Jazzmatazz und Buckshot LeFonque kommen zwei Grenzgänger

Wer auf der Suche nach dem perfekten Popsong war, für den geriet Jazzmatazz vor gut zwei Jahren zum Glücksfall: haufenweise eingängige Popsongs aus den Ingredienzen Soul, HipHop und Jazz gebraut, mit genug Repetition für die Tanzböden und genug Irritation für ihre Haltbarkeit. Zusammen mit Roy Ayers, Donald Byrd, Lonnie „Liston“ Smith und anderen probte der Rapper Guru alias Keith Elam, was er mit Gang Starr 1989 als Jazz Hop losgetreten hatte. Was Guru als Respektbezeugung vor den musikalischen Wegbereitern verstand, deutete Roy Ayers, der dem Projekt mit schmunzelndem Abstand gegenüberstand, allerdings als Selbstherapie. „Guru hat stets Probleme mit seinem Vater aufgearbeitet“, interpretierte der Vibraphonist im letztjährigen Gespräch mit der taz dessen obsessive Beschäftigung mit der musikalischen Elterngeneration.

Sollte Ayers Einschätzung zutreffen, dann hat Guru für Jazzmatazz II seine Therapie beendet oder wenigestens in eine andere Richtung verlagert. Denn die Fortsetzung des Projekts, in der einzig „Professor“ Donald Byrd und live der Gitarrist Ronny Jordan übernommen wurden, kommt eher als workshop-artige Zusammenkunft Gleichgesinnter einer Generation denn als zeitgemäße Inszenierung der Vergangenheit daher. Mit Patra und Shara Nelson, Jamiroquai und dem raunzenden Toaster Ini Kamoze versammelt er, Landesgrenzen leugend, eher die junge Garde.

Durch unzählige Gaststimmen vergewissert sich Guru offensichtlich seiner Freunde. Jazzmatazz II wird so zu einem Dokument einer peer group, einer Art Selbstbeschreibung, die weniger von der Vergangenheit her operiert als aus dem Gegenwärtigen. Guru scheint durch Freunde, Bekannte und Kollegen die Psychoschranken zu überschreiten – oder wenigstens vergißt er sie für eine Produktion. Daß das ab nächste Woche käufliche Album erneut ziemlich gekonnt geriet, ja geradezu Maßstäbe in Professionalität und Abstimmung setzt, versteht sich von selbst. Nur ist der zweite Streich etwas trockener und verschleppter produziert, der Touch zur Improvisation ist in die Interludes, den kurzen Schnipseln zwischen die Songs, gerückt.

Seltsamerweise wird die Platte mit der Aufforderung eröffnet, doch das Feuerzeug zu schwenken. Mit dieser Geste erhebt Guru unmißverständlich den Pop-Anspruch, von vielen wahrgenommen und gekauft zu werden. Immer wieder betonte er, daß er trotz der Hip-Hop-Hausse mit seinen immer avancierter ausfallenden Gang Starr-Alben seine Familie noch immer nicht vernünftig ernähren kann. Wenn einer der drei besten Rapper zweigleisig arbeiten muß, dann wird das Jazzmatazz-Projekt auch zur Antwort auf all jene, die HipHop wegen einiger Chartststürmer Ausverkauf vorwerfen.

Live ist Guru mit DC Lee, die als wenig wandlungsfähige Soulstimme gilt, und Branford Marsalis angekündigt. Der Saxophonist, der eine Fernsehsendung in den USA betreut und sich nicht davon abhalten ließ mit Sting und Grateful Dead zu „tuten“, tourt zum zweiten Mal mit seinem Projekt Buckshot LeFonque. Marsalis benannte es nach dem Pseudonym, das der Saxophonist Cannonball Adderly in den 50er Jahren immer dann benutzte, wenn er musikalisch fremdging. Und Marsalis geht mit Buckshot LeFonque so arg fremd, daß sich kaum mehr ein Zentrum ausmachen läßt. Wo Jazzmatazz wenigstens noch von der Stimme Gurus und der Produktion zusammengehalten werden, teilt sich Marsalis mit DJ Premier von Gang Starr die Produktion, die in alle Richtungen weist. Die diversen Genres, die vom Fonque ausgehend angezapft werden, bilden aber seltener eine Einheit als eine Zitatensammlung durch die Geschichte der black music. Das gleichnamige Album ist dem anderen Workshop des Abends zu abwechslungsreich geraten – wenn das denn ein Einwand ist.

Volker Marquardt So, 25. Juni, Stadtpark, 18 Uhr

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