Irans TV zeigt brenndende Chomeini-Bilder: Bilderstreit verschärft Spannungen
Anhänger der iranischen Opposition sollen Bilder des Revolutionsführers Chomeini verbrannt haben. Mehrere Verdächtige wurden festgenommen. Ihnen drohen harte Strafen.
BERLIN taz | Im Iran verschärft sich die Konfrontation zwischen der Opposition und der Staatsführung. Anlass waren Proteste in sämtlichen Großstädten am Tag des Studenten am 7. Dezember. Allein in der Hauptstadt Teheran hatten sich sämtliche Universitäten ungeachtet des massiven Aufgebots der Polizei und der Bassidschi-Milizen den Protestkundgebungen angeschlossen. Laut offiziellen Angaben wurden mehr als zweihundert Personen festgenommen.
Offenbar hat das Regime erkannt, dass mit Drohungen, Folterungen in Gefängnissen und Schauprozessen der Protestbewegung nicht beizukommen ist. Nun soll eine bewährte Strategie dem Regime helfen: die Mobilisierung der eigenen Anhänger.
Am vergangenen Mittwoch zeigte das Staatsfernsehen, das einer strengen Zensur unterliegt, wie ein Bild des Gründers der Islamischen Republik Ajatollah Chomeini verbrannt wird. Im Iran ist Chomeini ein absolutes Tabu. Alle, selbst Führer der Opposition, berufen sich auf ihn, er gilt als über alle erhaben. Ob der Tabubruch von Oppositionellen oder getarnten Agenten begangen wurde oder ob es sich um gestellte Szenen handelt, wissen nur wenige.
Dem Regime bietet die Szene jedoch den Vorwand zu einem neuen massiven Schlag gegen die Opposition. In sämtlichen Städten wurden Proteste organisiert, bei denen die Teilnehmer die Köpfe der Opposition forderten. "Ab jetzt werden wir ohne Gnade gegen jeden vorgehen, der die nationale Sicherheit gefährdet", sagte Staatsanwalt Gholamhossein Mohseni Ejehi. Am Montag wurden einige Verdächtige festgenommen.
Am Sonntag hatte sich auch Revolutionsführer Ali Chamenei den Drohenden angeschlossen. Die Islamische Republik sei nach dem Willen Gottes gegründet worden und werde ewig Bestand haben, sagte Chamenei. Einige "Gesetzesbrecher" hätten nach den Wahlen Unruhen gestiftet und damit bei den Feinden des islamischen Staates neue Hoffnungen geweckt. Diese seien "so dreist geworden, dass sie sich erlaubt haben, vor aller Augen Imam Chomeini zu beleidigen". "Seid beruhigt", sagte Chatami, gerichtet an seine Anhänger. "Wir werden sie bis zum letzten Mann vernichten."
Chamenei warnte auch die Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi, ohne sie beim Namen zu nennen. "Unsere ehemaligen Kampfgefährten müssten merken, welchen Jubel sie bei unseren ausländischen Feinden ausgelöst haben. "Gebt auf, die Wahlen sind vorbei." Chamenei erinnerte daran, dass unter Chomeini einige Personen in Ungnade fielen und aus der Gesellschaft verbannt wurden. "Ich will diesen Weg vermeiden, doch offenbar gibt es Leute, die es darauf anlegen, ausgeschlossen zu werden."
Die bei der Präsidentenwahl unterlegenen Kandidaten Mussawi und Karrubi wiesen die Vorwürfe zurück. Mussawi nannte den Zwischenfall "verdächtig". "Ich bin sicher, dass Studenten so etwas nie tun würden." Auf seiner Internetseite schreibt Mussawi, die Behörden seien dabei, ein geplantes Drehbuch umzusetzen. Es wird im Iran vermutet, dass die Inszenierung die Stimmung für eine mögliche Verhaftung Mussawis vorbereiten soll.
Indes gehen die Proteste an den Universitäten weiter. Die Studenten tragen zwar Plakate mit Bildern von Chomeini, um sich von dem Vorfall zu distanzieren, rufen aber "Nieder mit der Diktatur". Sie protestieren unter anderem gegen die illegale Anwesenheit der Bassidschi-Milizen an den Universitäten. Seit Tagen sind die Universitäten von Einheiten der Polizei und Revolutionswächtern umstellt. Beobachter rechnen mit einem baldigen Angriff auf die Studenten. Es wird nicht ausgeschlossen, dass das Regime die Schließung der Universitäten anordnet.
BAHMAN NIRUMAND
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