: Iran will Geld für US-Angriffe
Heute entscheidet der Internationale Gerichtshof, ob die USA für die Versenkung von drei iranischen Ölplattformen Ende der 80er-Jahre Schadenersatz zahlen müssen
FREIBURG taz ■ Die Mühlen des internationalen Rechts mahlen langsam. In den Jahren 1987 und 1988 versenkten die USA drei iranische Bohrinseln. Heute, mehr als 15 Jahre später, wird der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag entscheiden, ob der Iran von den USA Schadenersatz verlangen kann.
Hintergrund des Konflikts ist der so genannte „Tankerkrieg“ während des ersten Golfkriegs zwischen Iran und Irak in den Jahren 1980 bis 1988. Ab 1984 wurde die Landschlacht durch Angriffe der Iraker im Persischen Golf ausgeweitet, um iranische Ölexporte zu unterbinden. Im Gegenzug machte der Iran Jagd auf Schiffe, die vermeintlich Waffen und andere Unterstützung an den irakischen „Aggressor“ lieferten. In dieser Zeit sympathisierten viele Staaten mit dem Irak, weil sie hofften, so den revolutionären Iran im Zaun zu halten.
Zum Schutz der „freien Schifffahrt“ befahl der damalige US-Präsident Ronald Reagan 1987, kuwaitische Tanker mit der US-Flagge zu versehen und durch US-Kriegsschiffe begleiten zu lassen. Die USA und andere westliche Staaten bezeichneten die iranischen Angriffe auf „neutrale“ Schiffe als Gefährdung ihrer „vitalen Interessen“. Immerhin kamen damals 25 Prozent des Weltölverbrauchs aus der Golfregion.
Nach US-Angaben starben bei iranischen Angriffen 63 Matrosen verschiedener Nationalität und es entstand Schaden in Höhe von mehreren hundert Millionen Dollar. Als der Iran zwei „US“-Tanker in einem kuwaitischen Hafen mit Raketen beschoss, beschlossen die USA einen Gegenschlag. Im Oktober 1987 und im April 1988 wurden insgesamt drei iranische Ölplattformen versenkt. Die USA behaupteten, dass von dort aus militärische Angriffe koordiniert wurden. Der Iran erwiderte, die Offshore-Plattformen hätten ausschließlich der Ölförderung gedient, iranische Soldaten seien nur zum Schutz vor irakischen Angriffen stationiert gewesen.
Schon 1992 verklagte der Iran die USA auf Schadenersatz und berief sich dabei auf einen bis heute gültigen iranisch-amerikanischen Freundschaftsvertrag, den die USA 1955 noch mit dem Schah abgeschlossen hatten. Die USA lehnen die Schadenersatzforderung Irans generell ab und verlangten ihrerseits Schadenersatz vom Iran.
Das heutige Urteil könnte vor allem dann brisant werden, wenn der IGH auch die Frage klärt, wer sich damals legitim selbst verteidigte und wer gegen das Gewaltverbot der UNO-Charta verstieß. Die USA lehnen eine derartige Prüfung ab. Nach ihrer Ansicht soll sich das UN-Gericht auf die Auslegung des Freundschaftsvertrags beschränken. Das Mandat zur Prüfung allgemeiner Streitfragen hatten die USA verärgert zurückgezogen, als der IGH 1986 die Amerikaner wegen Verminung nicaraguanischer Häfen verurteilte.
An dem Streit sind auch zwei Deutsche beteiligt. Einer der 16 Richter ist der seit Februar amtierende Münchener Bruno Simma. Und im multinationalen Juristenteam des Iran war der renommierte Frankfurter Völkerrechtler Michael Bothe aktiv.
Das Urteil wird heute Nachmittag im Den Haager Friedenspalast verkündet. Ab 1992 wurden in dem Mammutprozess zehn Jahre lang Schriftsätze gewechselt. CHRISTIAN RATH