Iran-Demonstranten blechen für Wachs-Flecken: Lichterkette nur noch elektrisch
Nach einer Lichterkette an der Gedächtniskirche soll der Anmelder für die Beseitigung von Wachsflecken zahlen. Künftige Proteste nur noch ohne Kerzen.
Während Proteste gegen das iranische Regime dort Verhaftung und Folter nach sich ziehen, drohen den Anmeldern in Berlin saftige Reinigungskosten. Für die Beseitigung von Wachsflecken vor der Gedächtniskirche - die Reste einer Lichterkette Ende Juni - verlangt die dortige Kirchengemeinde rund 400 Euro.
Die Vorgeschichte beginnt am Abend des 25. Juni. Vor der Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz versammeln sich rund 3.000 Berliner zu einer Lichterkette. Sie gedenken still ermordeter iranischer Oppositionellen und solidarisieren sich mit deren Freiheitskampf nach den mutmaßlich manipulierten Wahlen Anfang Juni. Laut den Auflagen muss der Anmelder, Lutz Bucklitsch, an diesem Abend dafür sorgen, das Pflaster Berlins wachsfrei zu halten.
In der Anmeldebestätigung der Kundgebung legt ihm das Landeskriminalamt nahe, den Untergrund durch eine "geeignete Abdeckung" vor Verschmutzung zu schützen. Selbst die Nutzung von Grab- oder Windlichtern würden diese "nicht entbehrlich" machen. Ein Umkippen könnte die "Pflasterung in Mitleidenschaft" ziehen, so das Amt. Den Teilnehmern ist offensichtlich ihr Protest wichtiger als solche absurden Auflagen: Am Ende erhellen tausende kleine Kerzen den Platz. Einige wagen auszulaufen.
Die Folge: Der Pfarrer der Gedächtniskirche, Martin Gremer, stellt Bucklitsch einige Wochen nach dem Protest die Reinigung der Treppe - der Grund gehört der Kirche - und Teile der Außenfassade seiner Kirche in Rechnung. Kostenpunkt: genau 402,26 Euro. Gremer sieht sich in einem "blöden Dilemma", wie er der taz sagt: Die Wachsflecken auf der Treppe hätten eine erhebliche Rutschgefahr dargestellt; das hätte Bucklitsch nicht verhindert. Die Alternative wäre laut dem Pfarrer gewesen, die Rechnung mit Spendengeldern zu bezahlen. "Doch damit müssen wir sorgfältig umgehen."
Sicherlich sei auf dem Breitscheidplatz "mehr Wachs gewesen, als mir lieb ist", räumt Lutz Bucklitsch ein. "Doch Wachsflecken sind nicht auszuschließen", ergänzt er. Es habe an dem Abend auch mehrere Veranstalter am Breitscheidplatz gegeben. "Von mir kommt derzeit sicher kein Geld." Auf Bucklitsch könnte zudem noch die Forderung des Bezirksamtes von rund 2.500 Euro für die Reinigung des Platzes zukommen. Er rechnet Ende des Monats mit dem Erhalt aller Bescheide und werde dann Widerspruch einlegen, sagte er der taz.
Vor allem sieht er sich in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt. "Es geht hier um Menschenrechte. Diese Gängelei kann doch nicht im Sinne der Demokratie sein", beschwert er sich. Auch in anderen Städten fanden Lichterkettenaktionen statt. Da gebe es trotz teilweise gleicher Auflagen nicht diese Probleme.
Bucklitsch hat weitere Proteste angemeldet, wöchentlich vor dem Brandenburger Tor und am 25. Juli ab 21.30 Uhr auf dem Pariser Platz. Die Versammlungsbehörde verbietet ihm dabei nun generell die Nutzung von Kerzen. "Wir kommen mit dem Veranstalter nicht auf einen Nenner", sagt Joachim Haß, Leiter der Versammlungsbehörde. Bucklitsch wäre uneinsichtig, weitere Schäden gelte es zu verhindern.
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