Investorenposse bei 1860 München: Provokation der Blauen
Was die Schlagzeilen betrifft, können die Löwen mit den Bayern mithalten. Der Streit zwischen dem Verein und Investor Hasan Ismaik ist bühnenreif.
Vorstellen kann man es sich beim besten Willen nicht, doch das Gerücht hält sich seit Jahren: In der Sportstadt München soll es mehr Blaue als Rote geben, also mehr Fans des TSV 1860 als des FC Bayern. Mit Sport hat das natürlich nichts zu tun, eher mit Masochismus.
Während Schweinsteiger & Co. von einem Kantersieg zum nächsten segeln (22:3 Tore bei den letzten fünf Siegen; darunter das 6:1 am Dienstag im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Wolfsburg), dümpeln Bierofka, Stoppelkamp und Konsorten in Liga zwei hinter den Aufstiegsplätzen rum.
Was die Schlagzeilen betrifft, können die Löwen dennoch gut mithalten mit den Bayern. Und das liegt an der sogenannten Vereinsführung. Was dort in den vergangenen Monaten geleistet wurde, ist bühnenreif. Komisch, dass bislang weder Helmut Dietl noch Bully Herbig Interesse an einer Verfilmung zeigten.
Seit rund zwei Jahren haben die Löwen ja einen Scheich. Na ja, fast. So ganz genau weiß man nicht, womit Hasan Ismaik, ein in Abu Dhabi lebender Geschäftsmann aus Jordanien, all seine Millionen gemacht hat – und ob er diese Millionen tatsächlich auch besitzt. In seinem Nebenjob als Löwen-Investor rettete er den chronisch klammen Klub vor der Pleite und sorgte nebenbei dafür, dass auf den Trikots des Arbeiterklubs fortan für die Nobelautos der Marke Aston Martin geworben wurde.
27 Millionen Euro investiert
Insgesamt 27 Millionen Euro hat er in den als Chaos-Klub bekannten TSV 1860 gesteckt – Geld, das er wohl nie wiedersehen wird. Wer sollte ihm denn schon seine Anteile am Löwen-Desaster gegen Bezahlung abkaufen wollen? So viel Größenwahn gibt es auf dieser Welt gar nicht.
Nun hat das unfassbare Schauspiel der Giesinger Laientruppe eine neue Wendung genommen. Es folgt das Kapitel „Der Rosenkrieg“. Und das geht so: Am Dienstag hat 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer die Verträge mit Sportchef Florian Hinterberger und Trainer Alexander Schmidt demonstrativ verlängert.
Eine Investoren-Brüskierung mit Ansage, hatte Ismaik der Fußballwelt vor wenigen Wochen doch den herrlichen Satz „We need a new Sportchef“ geschenkt. Und da das vom neuen Präsidenten Hep Monatzeder frech aufgestellte Ultimatum (13 Millionen bis Dienstag, sonst machen wir so weiter wie bisher) ereignis- und zahlungslos verstrichen war, taten die Löwen-Bosse nun so, als bräuchten sie den Scheich gar nicht.
Das ist freilich eine Milchmädchenrechnung. Bis 23. Mai müssen die Löwen einen Liquiditätsnachweis von rund 2 Millionen Euro an die DFL erbringen, um eine Lizenz zu bekommen – und kein Mensch an der Grünwalder Straße weiß, wo dieses Geld herkommen soll, wenn nicht vom Scheich. Dessen Reaktion auf die Geschehnisse hinterbrachte sein Anwalt Michael Scheele, der zehn Jahre lang Honorarkonsul der Seychellen war.
Rechtliche Schritte werden eingeleitet
Bevor er ins Flugzeug Richtung Abu Dhabi stieg, sagte Scheele: „Die verkündete Entscheidung über Vertragsverlängerungen ist schlichtweg eine überflüssige Provokation des Investors.“ Und weiter im Text: „Der mehrfach geäußerte gute Wille von Herrn Ismaik wurde im Keim erstickt. Es dürfte nicht weiter verwundern, wenn dies schwerwiegende Konsequenzen zum Nachteil des Vereins provoziert. Dass jetzt rechtliche Schritte eingeleitet werden, und dass die Bereitschaft von Herrn Ismaik, weiteres Geld in den Verein zu pumpen, gegen null tendiert, bedarf keiner weiteren Erklärung.“
Schön auch der letzte Satz: „Herr Ismaik wird seine Begegnungen mit zahlreichen Mitgliedern und Fans in guter Erinnerung behalten.“ Süß. Wie die Löwen reagierten? Brüsk. Geschäftsführer Schäfer tönte: „Wie Herr Ismaik jetzt reagiert, ist seine Sache.“ Pardauz! Wo soll das alles bloß enden?
Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels. Hassan Shehata, ein älterer Herr aus Ägypten mit einem Hang zu schicken Mänteln, der von Ismaik als „Berater“ nach München entsandt worden war, empfahl als Direktmaßnahmen gegen die Krise Trainingscamps und ein Prämiensystem. Na also, geht doch. Alles wird gut.
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