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Investorenposse bei 1860 MünchenProvokation der Blauen

Was die Schlagzeilen betrifft, können die Löwen mit den Bayern mithalten. Der Streit zwischen dem Verein und Investor Hasan Ismaik ist bühnenreif.

Hasan Ismaik mahnte erst vor wenigen Wochen: „We need a new Sportchef“. Bild: dpa

Vorstellen kann man es sich beim besten Willen nicht, doch das Gerücht hält sich seit Jahren: In der Sportstadt München soll es mehr Blaue als Rote geben, also mehr Fans des TSV 1860 als des FC Bayern. Mit Sport hat das natürlich nichts zu tun, eher mit Masochismus.

Während Schweinsteiger & Co. von einem Kantersieg zum nächsten segeln (22:3 Tore bei den letzten fünf Siegen; darunter das 6:1 am Dienstag im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Wolfsburg), dümpeln Bierofka, Stoppelkamp und Konsorten in Liga zwei hinter den Aufstiegsplätzen rum.

Was die Schlagzeilen betrifft, können die Löwen dennoch gut mithalten mit den Bayern. Und das liegt an der sogenannten Vereinsführung. Was dort in den vergangenen Monaten geleistet wurde, ist bühnenreif. Komisch, dass bislang weder Helmut Dietl noch Bully Herbig Interesse an einer Verfilmung zeigten.

Seit rund zwei Jahren haben die Löwen ja einen Scheich. Na ja, fast. So ganz genau weiß man nicht, womit Hasan Ismaik, ein in Abu Dhabi lebender Geschäftsmann aus Jordanien, all seine Millionen gemacht hat – und ob er diese Millionen tatsächlich auch besitzt. In seinem Nebenjob als Löwen-Investor rettete er den chronisch klammen Klub vor der Pleite und sorgte nebenbei dafür, dass auf den Trikots des Arbeiterklubs fortan für die Nobelautos der Marke Aston Martin geworben wurde.

27 Millionen Euro investiert

Insgesamt 27 Millionen Euro hat er in den als Chaos-Klub bekannten TSV 1860 gesteckt – Geld, das er wohl nie wiedersehen wird. Wer sollte ihm denn schon seine Anteile am Löwen-Desaster gegen Bezahlung abkaufen wollen? So viel Größenwahn gibt es auf dieser Welt gar nicht.

Nun hat das unfassbare Schauspiel der Giesinger Laientruppe eine neue Wendung genommen. Es folgt das Kapitel „Der Rosenkrieg“. Und das geht so: Am Dienstag hat 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer die Verträge mit Sportchef Florian Hinterberger und Trainer Alexander Schmidt demonstrativ verlängert.

Eine Investoren-Brüskierung mit Ansage, hatte Ismaik der Fußballwelt vor wenigen Wochen doch den herrlichen Satz „We need a new Sportchef“ geschenkt. Und da das vom neuen Präsidenten Hep Monatzeder frech aufgestellte Ultimatum (13 Millionen bis Dienstag, sonst machen wir so weiter wie bisher) ereignis- und zahlungslos verstrichen war, taten die Löwen-Bosse nun so, als bräuchten sie den Scheich gar nicht.

Das ist freilich eine Milchmädchenrechnung. Bis 23. Mai müssen die Löwen einen Liquiditätsnachweis von rund 2 Millionen Euro an die DFL erbringen, um eine Lizenz zu bekommen – und kein Mensch an der Grünwalder Straße weiß, wo dieses Geld herkommen soll, wenn nicht vom Scheich. Dessen Reaktion auf die Geschehnisse hinterbrachte sein Anwalt Michael Scheele, der zehn Jahre lang Honorarkonsul der Seychellen war.

Rechtliche Schritte werden eingeleitet

Bevor er ins Flugzeug Richtung Abu Dhabi stieg, sagte Scheele: „Die verkündete Entscheidung über Vertragsverlängerungen ist schlichtweg eine überflüssige Provokation des Investors.“ Und weiter im Text: „Der mehrfach geäußerte gute Wille von Herrn Ismaik wurde im Keim erstickt. Es dürfte nicht weiter verwundern, wenn dies schwerwiegende Konsequenzen zum Nachteil des Vereins provoziert. Dass jetzt rechtliche Schritte eingeleitet werden, und dass die Bereitschaft von Herrn Ismaik, weiteres Geld in den Verein zu pumpen, gegen null tendiert, bedarf keiner weiteren Erklärung.“

Schön auch der letzte Satz: „Herr Ismaik wird seine Begegnungen mit zahlreichen Mitgliedern und Fans in guter Erinnerung behalten.“ Süß. Wie die Löwen reagierten? Brüsk. Geschäftsführer Schäfer tönte: „Wie Herr Ismaik jetzt reagiert, ist seine Sache.“ Pardauz! Wo soll das alles bloß enden?

Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels. Hassan Shehata, ein älterer Herr aus Ägypten mit einem Hang zu schicken Mänteln, der von Ismaik als „Berater“ nach München entsandt worden war, empfahl als Direktmaßnahmen gegen die Krise Trainingscamps und ein Prämiensystem. Na also, geht doch. Alles wird gut.

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8 Kommentare

 / 
  • BB
    blau bleim

    Der Scheich hat weder Fußballsachverstand, noch Benehmen und in dieser Sache komischerweise auch kein geschäftliches Gespür.

     

    Verkündet genau in der Planungsphase der nächsten Saison, dass der Sportchef, der derzeit die Gespräche mit potenziellen neuen Spielern führt, gehen soll.

     

    Wie kann man auch so doof sein, die ganzen Millionen in den Club zu stecken und sich gemäß DFL-Statuten auf 49 % Stimmrecht einzulassen?

     

    Jetzt sitzt der Verein am längeren Hebel, weil der Ismaik letztlich nix mitentscheiden darf. Seine Unterstützung darf er aber auch nicht ganz versagen, weil mit einer Insolvenz sein ganzes Investment flöten geht.

    Darum ist der jetzt auch so auf 180. Das freut mich enorm, weil der sich 0 für den Verein interessiert. Der Abramowitsch oder Hopp sitzen immer im Station. Der Ismaik war in 2 Jahren vielleicht 3 mal da.

  • U
    undwerzahlt

    damals, 1966 war ich als Bub bereits im Stadion als 1860 Meister wurde; damals hatte man den Eindruck, dass es nur 60er Fans i. d. Stadt gab. Dann begann die große Bayern Zeit. 1860 hatte X Mal die Chance, wieder ganz oben aufzuschließen. - vom Fanpotential her ohnehin. Es wurde systematisch alles kläglich von Dilletanten verspielt; ein sog. Finanzexperte d. CSU hatte damals den Verein ruiniert; und so ging es immer weiter; viele Fans sind immer noch treu; sie sagen, es wäre viel zu einfach Bayern-Fan zu sein; was zur Zeit geschieht, schlägt fast alles. Ein Investor rettet den Verein vor der Insolvenz und dann gehen diese Kaspernl wg. persönl. Animositäten zur Tagesordnung bei 60 über. Da wurde wieder eine Chance verspielt. Jetzt am Schluss bleiben wohl nur noch die Masochisten bei 60 übrig. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Aber Bayern- Fan - niemals!! Die Fettsäcke in ihren Champagnerstühlen mit ihrem selbstgerechten Grinsen- noch viel Schlimmer.

  • T
    Theo

    Das sich die Clubführung von diesem Wichtigtuer nicht erpressen lässt, sollte man ihr nicht vorwerfen, im Gegenteil. Lieber ein ehrlicher Neuanfang nach Insolvenz als weiter von diesem Clown abhängig zu sein.

  • L
    Löwenkralle

    Dass die Löwen in München eine riesige Anhängerschar haben, dafür verbürge ich mich als gebürtiger Münchner. Die meisten sog. Bayernfans kommen aus dem weiten Umland und dem Speckgürtel um München.

    Wir Münchner bleiben trotzdem den Löwen treu, komme, was wolle. Durch dick und dünn.

    In diesem Sinne: Auf die Löwen!

  • F
    _Flin_

    60 ist der geilste Club der Welt. Sieht man jeden Tag.

     

    Wenn es diesen Club nicht schon gäbe, müsste man ihn erfinden. Nur würde es einem keiner abnehmen, wenn man ihn erfinden würde. Weil man solche Erfindungen als viel zu unrealistisch abtun würde.

  • 6
    60erSiggi

    Posse ist eine gute Beschreibung was bei uns im Verein läuft! Ökonomisch sehe ich eher Paralellen zu Schäubles Spar-Diktaten und entsprechenden Konsequenzen. But, it's system!

  • DR
    der Rob

    Mir gefällt es eigentlich ganz gut wie die Sache läuft.

    Ein gutes Zeichen das ein solcher Dreck nicht funktioniet..

    Außerdem ist es Wettbewerbsverzerrung hoch drei!

    Ob es Russen wie in England sind, oder Scheich´s bei uns.

    Andere Vereine wurden für ein Bruchteil der 1860ér Schuldensumme abgestuft und in den Dreck getrieben!

    Ich als Dresdner, als Dynamo weiß das nur zu genau.

    Freut mich das sich die Bescheißer selbst bescheißen und damit schön auf die Fresse fallen..

  • G
    Gusch

    Schöne Geschichte. Vergessen wurde nur die Tatsache, dass Hassan Shehata ein kleines Islamismusproblem hat. Oder ist das in den Daniel-Bax-Filter geraten? Na einerlei. Bei den Löwen wollten schon einige ganz groß rauskommen und sind stattdessen um ein paar Millionen ärmer, aber um ein paar Erfahrungen reicher geworden. Dass es diesmal einen Wichtigtuer vom Golf trifft, macht die Sache nicht weniger amüsant.